zum Hauptinhalt

Kultur: „Wir wollen den Mythos demontieren“

Klaus Biesenbach, Chef der Berliner Kunst-Werke, über seine geplante RAF-Ausstellung – und die öffentliche Erregung

Herr Biesenbach, die von Ihnen geplante Ausstellung zur Geschichte der RAF in den Berliner KunstWerken stößt auf Kritik. Friedrich Merz spricht von einem „ungeheuren Skandal“, Guido Westerwelle warnt vor einer „einseitigen Auseinandersetzung mit dem deutschen Terrorismus“. Überrascht Sie die Empörung?

Die Kritik überrascht mich, weil unsere Ausstellung genau das leisten soll, was die Kritiker fordern: die RAF zu entmythologisieren.

In einem Brief an den Bundeskanzler protestieren die Familien der RAF-Opfer Schleyer und Rohwedder gegen die Förderung mit 100000 Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds.

Unser Versäumnis war es, die Angehörigen nicht frühzeitig kontaktiert zu haben. Wir haben im Juni entschieden, den Kontakt zu suchen. Es ist nicht leicht, sich an Hinterbliebene zu wenden, die traumatischen Erfahrungen gemacht haben und sie zu bitten, darüber mit ihnen sprechen zu dürfen. Das ist eine ziemliche Zumutung, die man da formuliert. Aber die ersten Briefe sind jetzt abgeschickt.

Was haben Sie den Angehörigen geschrieben?

Ich bitte um ein persönliches Gespräch.

Soll die Sicht der Opfer-Familien in die Ausstellung einfließen?

Ein gelungenes Beispiel für die Auseinandersetzung mit dem RAF-Terror ist der Film „Black Box BRD“ von Andreas Veiel, in dem es lange Interviewsequenzen mit den Angehörigen von Alfred Herrhausen gibt. Man kann die Geschichte der RAF nicht erzählen, ohne die Opfer zu Wort kommen zu lassen. Deshalb bitte ich nun um das Gespräch, in dem ich das Konzept der Ausstellung erläutern möchte. Im letzten halben Jahr haben wir bei der konzeptionellen Arbeit große Fortschritte gemacht. Wir haben uns entschlossen, den Hauptfokus auf die Jahre 1970 bis 1977 zu richten, die Sechzigerjahre sollen keine zentrale Rolle mehr spielen. Durch die Ausstellung soll sich eine Chronologie ziehen, der wir die Taten der RAF und ihre Opfer zuordnen wollen. Wir wolllen den Mythos demontieren, indem wir ihm das entgegensetzen, was real passiert ist. Man kann hier auf der Auguststraße junge Menschen treffen, die in RAF-T-Shirts herumlaufen. Die kennen nur den Mythos, ein frei durch die Medien flottierendes Bild, das ihnen in Filmen oder Popsongs begegnet. Wenn sie wüssten, was die RAF wirklich war, würden sie nicht diese Hemden tragen. Das sind die Leute, die wir mit der Ausstellung erreichen wollen.

Der Protest der Angehörigen bezog sich auch auf einen Satz im Ausstellungskonzept: „Welche Ideen und Ideale (der RAF, Anm. d. Red.) haben ihren Wert durch die Zeit behalten und können auch nicht als naiv abgetan werden?“ Der Satz klingt verharmlosend.

Der Satz ist veraltet, er kommt noch aus der Zeit, als wir die Vorgeschichte des Terrors in den 60er Jahren zu einem Schwerpunkt machen wollten.

Sind Sie zuversichtlich, dass Ihre Ausstellung auch nach den Angriffen aus der Politik noch die Fördergelder bekommen wird?

Ich halte unser Land für ein freies, sich der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft offen stellendes Land. Das hört sich jetzt vielleicht merkwürdig an, aber ich würde schon darauf vertrauen, dass man hier in Deutschland frei seine Meinung äußern und dass man eine solche Ausstellung unter Einbeziehung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen machen kann.

Das Gespräch führte Christian Schröder.

-

Zur Startseite