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Kultur: Wir Wunderkammern

Die aufblasbare Küche der Zukunft: „Convertible City“ zu Gast in Berlin

Wie wird Städtebau zu einem Event, das die Fachleute einer etwas ins Abseits geratenen Disziplin wieder hinter dem Ofen hervorlocken kann? Als ein dynamisches, heterogenes, plurales „Netz in Bewegung“ wird die Stadt von den Urbanisten heute gerne gesehen. Sie entwerfen nicht mehr neue Städte, sondern arbeiten am Bestand, der wieder attraktiv wird und werden soll. Ältere, die sich in der Stadt besser betreut fühlen und mehr Aktionsmöglichkeiten haben; Familien, weil die Frauen bessere Chancen haben, Beruf und Kinder unter einen Hut zu bringen; Junge und jung Gebliebene ohnehin, die das Stadtleben in vollen Zügen genießen – sie alle zieht es in die Städte.

Was ist zu tun? Die Stadt muss verdichtet werden, sie muss neue Wohn- und Lebensformen anbieten und mit mehr und neuen Attraktionen aufwarten. „Convertible City“, die Ausstellung des Deutschen Pavillons der Architekturbiennale Venedig 2006, bot einen bunten Strauß von 36 Lösungsansätzen: von der pragmatischen Dachaufstockung bis zu den „olfaktorischen Stadtkonzentraten“, mit denen Sissel Tolaas auf die Bedeutung des Geruchssinns für unsere Stadtwahrnehmung hinweisen will.

Die Vielfalt der Maßnahmen ist verblüffend und reicht vom seriösen Millionenprojekt der Umwidmung und baulichen Ergänzung eines ehemaligen Kraftwerks zur Hauptverwaltung der Stadtwerke in Düsseldorf (Ingenhoven) bis zum „kulturellen Durcheinander“, das Raumlabor-Architekten mit einem temporären, aufblasbaren Küchenmonument anrichteten und das doch sehr an die das Establishment verstörenden Aktionen unbotmäßiger Architekturspontis im Wien der sechziger Jahre erinnert. Es geht den Berliner Kuratoren Armand Grüntuch und Almut Ernst also um die kreative bauliche Weiterentwicklung der Stadt, es geht aber auch um einen temporären, transitorischen Begriff von Stadt, der sich in „Locations“ manifestiert, in Brennpunkten urbaner Aktivitäten, die sich ihrerseits ständig verlagern und so die Anwesenheit einer „kreativen Klasse“ anzeigen.

So kann man sich zwar des Eindrucks einer gewissen Beliebigkeit der vorgestellten Projekte nicht erwehren, interessant und kurzweilig sind sie jedoch allesamt. Interessant ist auch ihre Darbietung in einer hybriden Installation aus Vitrine und Buch, mit Tafeln zum Blättern, unter denen dann Schaukästen mit Modellen wie Wunderkammern hervortreten. Auch kann hier zum Teil interaktiv gespielt werden. Nach einer Station in Köln ist die unterhaltsame Schau nun in Berlin zu sehen. Lediglich aus den haushohen Fotofahnen in Venedig ist, dem Ausstellungsort in der Senatsbauverwaltung angepasst, eine 60 Meter lange Fototapete geworden.

Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Am Köllnischen Park 3, 9.5. bis 30.6., täglich 10 – 18 Uhr. Katalog, gleichzeitig Heft 180 der Zeitschrift archplus, 19 €. Info: www.convertiblecity.de

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