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WM-Doku: Ein Film nicht nur für Fußballfans

Es war eine starke Welle der Euphorie, welche die junge deutsche Nationalmannschaft im Sommer bei der Fußball-Weltmeisterschaft lostrat. Millionen Deutsche, ob Fans oder nicht, fieberten mit.

Berlin - Aber keiner war näher dran als Regisseur Sönke Wortmann. Ob Trainingslager, Mannschaftshotel oder Kabine, er war fast immer dabei und durfte mit dem Einverständnis aller Beteiligten hinter den Kulissen filmen. Was er dabei festhielt, zeigt sein sehenswerter Dokumentarfilm "Deutschland. Ein Sommermärchen".

Für die exklusive Rolle des allgegenwärtigen Beobachters war Wortmann prädestiniert: Der Regisseur war selbst mal Fußballprofi. Vor drei Jahren drehte er den Spielfilm "Das Wunder von Bern" über eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung vor dem Hintergrund des deutschen WM-Siegs 1954. Das Melodram lockte damals mehr als 3,6 Millionen Zuschauer in die Kinos.

Exklusive Bilder und bisher kaum Bekanntes

Nach einem erfolgreichen Testlauf beim Confed Cup durfte Wortmann zwei Jahre lang die deutschen Nationalkicker mit einer kleinen unauffälligen Digitalkamera begleiten. Während der WM kam Kameramann Frank Griebe hinzu. Gemeinsam nahmen die beiden rund 100 Stunden Material auf. In rasantem Tempo filterte der Regisseur daraus 108 kinoreife Filmminuten. Wer spektakuläre Enthüllungen erwartet, wird bei "Deutschland. Ein Sommermärchen" nicht bedient. Sehr wohl aber bietet Wortmann jede Menge exklusive Bilder und bisher kaum Bekanntes. So wird der Kinobesucher Zeuge, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Nationalteam im Hotel besucht und mit Spielern plaudert. Oder wie begeisterte Polizisten und Soldaten am Straßenrand für das Team "La Ola"-Wellen aufführen.

Der Zuschauer erfährt, dass Stürmer Miroslav Klose vor dem Spiel einem Ritual folgt, das sicherstellt, dass er das Feld zuerst mit dem rechten Fuß betritt. Und man sieht, wie der aufgeregte Oliver Neuville bei einer Doping-Kontrolle erst im zweiten Anlauf den Urinbecher füllen kann - neben den Auftritten des Ulk-Duos Sebastian Schweinsteiger und Lukas Podolski einer von vielen komischen Höhepunkten der Dokumentation.

Tränen und Tiefpunkte

Aber auch Tränen und Tiefpunkte enthält uns der ehrliche Dokumentarist nicht vor: Wenn die von Italien besiegten Kicker in der Kabine die Köpfe hängen lassen, und einige einfach nur weinen, dann kann man die Enttäuschung fast mit Händen greifen. Vor allem aber wird der Zuschauer Zeuge, wie Bundestrainer Jürgen Klinsmann seine Männer in der Kabine heiß macht. Im Vorrundenspiel gegen Polen sagt er am 14. Juni: "Die stehen gegen die Wand. Wir knallen sie durch die Wand." Als Neuville im Spiel kurz vor Schluss das Tor erzielt, sieht Klinsmann darin sogar den "wichtigsten Moment" des Turniers.

Man muss zudem kein Fußballexperte sein, um nach diesem Film zu verstehen, welchen Beitrag Taktik-Fuchs und Assistenztrainer Joachim Löw zum Erfolg der Mannschaft leistete. Selbst Klinsmann räumt im Film freimütig ein, er habe "viel von Jogi gelernt", wenn es darum gehe, "ein Spiel zu lesen". Ob Wortmann nach diesem Coup auch die nächste WM, diesmal mit Klinsmanns Nachfolger Löw, dokumentiert?

"Deutschland. Ein Sommermärchen", Deutschland 2006, Länge: 108 Minuten, Regie: Sönke Wortmann Kinostart: 5. Oktober 2006 (Reinhard Kleber, ddp)

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