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Kultur: Wo bleibt die NS-Geschichte?

Olympiastadion in Erklärungsnot

Die Laufbahn ist blau, und die Zuschauer sitzen im Trockenen. Doch fertig ist das Berliner Olympiastadion noch immer nicht. Denn mit der historischen Kommentierung der Anlage fehlt ein entscheidender Baustein für das Verständnis des runderneuerten Areals. Insgesamt sollten 980000 Euro für Kunst am Bau in die Kommentierung fließen. Doch durch die Insolvenz von Walter Bau sind die Arbeiten ins Stocken geraten. Die beauftragten Künstler, Wissenschaftler und Handwerker warten bislang auf die Auszahlung ihrer Honorare. Und der Erklärungsbedarf für den Geschichtsort Olympiastadion bleibt bis auf weiteres ungedeckt.

Als Teil des ehemaligen Reichssportfeldes gehört das Berliner Stadion zur größten baulichen Anlage, die während des NS-Regimes überhaupt fertig gestellt wurde. Erklärungen zur Geschichte des Areals und der Olympischen Spiele von 1936 dürfen sich daher nicht auf die Langemarckhalle unterhalb des Glockenturms beschränken, die am Rande des Geländes liegt. Für sie konzipiert das Deutsche Historische Museum derzeit mit Bundesmitteln eine Ausstellung, während die Stadionarchitekten des Hamburger Büros von Gerkan, Marg und Partner den Umbau der Halle verwirklichen.

Ebenso wichtig ist es, die Stadionbesucher vor Ort zu informieren – direkt vor den monumentalen Skulpturen und Sichtachsen. Darauf zielt auch das begleitende Projekt von Stefanie Endlich, Monica Geyler und Beate Rossié, die von Walter Bau mit der Kommentierung beauftragt wurden. Auf zwei Ebenen wollen sie über Bau- und Nutzungsgeschichte des unbequemen Denkmals informieren. An einer Lichtstele am Olympischen Platz nach dem Entwurf des Berliner Büros Zerr, Hapke, Nieländer erhalten die Besucher Grundinformationen. Doch während die Stele bereits steht, fehlt die dafür geplante Multimedia-Präsentation noch. Den zweiten Teil der Erläuterungen bilden 26 Bild-Text-Tafeln, die eigentlich auf dem Gelände präsentiert werden sollten. Auch diese Tafeln sind bereits produziert, doch die Insolvenz von Walter Bau kam ihrer Aufstellung zuvor.

Da die Umsetzung der historischen Kommentierung bereits weit fortgeschritten ist, gibt sich Andreas Berr, Leiter der Projektgruppe Olympiastadion bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, trotz der aktuellen Schwierigkeiten optimistisch. Er glaubt, dass sie ab Sommer für Stadionbesucher zu sehen sein wird. Länger sollte der Erklärungsnotstand auf dem Olympiagelände auf keinen Fall andauern. Gleichwohl: Noch sind weitere Verzögerungen nicht ausgeschlossen. Für diesen Fall plädiert Stefanie Endlich dafür, dass „die Spitzen der drei beteiligten Senatsverwaltungen gemeinsame Lösungswege entwickeln“ – im Interesse der Verständlichkeit des Geschichtsortes Olympiastadion.

Jürgen Tietz

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