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Kultur: Wo es weh tut

Die Medienkünstlerin Valie Export wird 70

Ihr erstes Kunstwerk ist sie selbst. 1967 erfindet Waltraud Höllinger, geb. Lehner, ihre Identität. Weil sie weder den Namen ihres geschiedenen Mannes noch den ihres Vaters tragen will, nennt sie sich VALIE EXPORT, mit der Maßgabe, die Worte in Versalien zu schreiben. Inzwischen hat sich dieser Imperativ gelockert. Ihr erstes Objekt ist eine Zigarettenpackung der Sorte Smart Export, die sie zu ihrem Markenzeichen umgestaltet.

„Die Kunst kann ein Medium der Selbstbestimmung sein und diese bringt der Kunst neue Werte“, beansprucht Valie Export für sich. Die Suche nach Identität und Ausdruck zieht sich durch ihr Werk. Sie exerziert den Schmerz der Sprachlosigkeit, den Verlust körperlicher und seelischer Integrität in Filmen, Performances und Fotoserien bis an den Rand des Erträglichen. Der Schock soll die repressiven Muster zertrümmern.

1940 in Linz geboren, wächst Valie Export in einem bürgerlichen Lehrerhaushalt auf. Ihr Vater ist überzeugter Nationalsozialist, er fällt in Afrika. Sie wird von Nonnen erzogen, heiratet mit achtzehn Jahren und bekommt ein Kind. Perdita, die Verlorene, nennt sie ihre Tochter. 1960 geht sie nach Wien, studiert Textildesign, lernt die Wiener Gruppe um H. C. Artmann und die Aktionisten kennen. Sie beobachtet, wie Günter Brus mit Selbstverletzungen experimentiert. Studentenbewegung und Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus finden in Österreich nicht statt. Die Künstler rebellieren gegen die Elterngeneration, indem sie den Schmerz der Unterdrückung abbilden. Valie Export wird als Frau vom Publikum kaum wahrgenommen, so gelangt sie zum Feminismus. Für die Fotoserie „Identitätstransfer“ posiert sie als weibliches Gewaltopfer, in androgynem Gewand. Cindy Shermans „Filmstills“ wirken wie ein Zitat der Arbeit.

In einer ihrer berühmtesten Aktionen, dem „Tapp- und Tastkino“ aus dem Jahr 1968, trägt sie einen Karton über dem nackten Oberkörper. Passanten auf der Straße dürfen nach ihren Brüsten grapschen. Heutzutage kaum auszuhalten der Film „… Remote …Remote …“ aus dem Jahr 1973. Die Künstlerin sitzt vor einer Leinwand, auf der die Fotos von zwei missbrauchten Kindern abgebildet sind. Langsam schneidet sie sich mit dem Teppichmesser die Haut vom Nagelbett und badet ihre verletzten Hände in Milch.

Valie Export setzt ihren Körper als Waffe ein. Offensiv sucht sie nach einem weiblichen Ausdruck sexueller Selbstbestimmung. Bei der Biennale in Venedig zeigt sie 2007 „glottis“, Aufnahmen ihrer Stimmbänder mit dem Laryngoskop. Sie ähneln nicht von ungefähr den Sexualorganen. Heute feiert Valie Export ihren 70. Geburtstag. Simone Reber

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