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Kultur: Wo ist Gott? „Deutsche Symphonie“

von Eisler im Konzerthaus.

Hanns Eislers Opus magnum erscheint heute, 23 Jahre nach dem Untergang der DDR, als ein Muster komplexer Originalität und Größe. Die Annahme, dass er als Musiker mit der Kommunistischen Partei gescheitert sei, wird von einer höchst intensiven Aufführung seiner „Deutschen Symphonie“ durch die Berliner Singakademie und das Konzerthausorchester unter der Leitung von Achim Zimmermann widerlegt. Dieses Zeugnis antifaschistischen Widerstands, seit 1935 angedacht und gänzlich vollendet für die späte Uraufführung 1959 in der Berliner Staatsoper, ist zweifellos politische Musik. Kampfelemente sind darin, aber auch eine Sensibilität der Dodekaphonie, die Eisler seinem „hochverehrten Meister“ Arnold Schönberg verdankt. Bruch und Versöhnung zwischen Lehrer und Schüler zählen zu den interessantesten Kapiteln in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Nicht nur der Musikgeschichte. Denn es geht um die gesellschaftliche Funktion der Kunst.

In der Gegenwart, beim Hören des umfangreichen elfteiligen Werkes, fesseln dessen Zeitfühligkeit und Aktualität, weil die sozialen Probleme längst nicht gelöst sind. In „O Deutschland, bleiche Mutter“ erhebt sich bitter das Lamento auf den Text von Brecht, und schärfer steigert sich der Ton bis zu dem „Lied vom Klassenfeind“, dem eine Bauernkantate mit Flüsterdialog und Summchor vorangeht. Es klingen also innovative Elemente aus der Partitur und von fern der Mahler’sche Marschtypus, wo die schönen Trompeten blasen. Das zynische „Begräbnis des Hetzers im Zinksarg“ komponiert Eisler als Verteidigung und Lob der Auflehnung.

Die Interpretation im Konzerthaus zum 50. Todestag des Komponisten zeigt, dass es eine schwierige Musik ist. Der Eisler-Ton „An die Kämpfer in den Konzentrationslagern“ verbindet sich schwer mit dem Belkanto einer sichtbar engagierten Annette Markert, eher liegt er den Männerstimmen von Henryk Böhm und Egbert Junghanns. Doch gelingt Textverständlichkeit am besten der Singakademie, und ausdrucksmächtig sind die Orchestersolisten. „Mit dem Volk auf Du und Du“ stehen zu wollen, bedeutet Konflikt für einen Vertreter der Wiener Schule. Und Eisler stellt sich als einer der begabtesten dar in dieser Symphonie der Trauer und der Aufklärung.

„Was ist das für ein Gott?“ und „Wo ist nun dein Gott?“, fragen die Menschen aus naturgemäß unterschiedlicher Perspektive bei Eisler und Mendelssohn Bartholdy. In dessen 42. Psalm „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser“, der den Abend mit dem lieblichen Sopran von Yeree Suh einleitet, wird reines Gotteslob gesungen. Sybill Mahlke

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