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Kultur: Wo Roboterliebe hinfällt

Dagny Lüdemann über verschenkte Gefühle

Der Roboterhund Aibo, den sich viele Japaner als unkompliziertes Haustier angeschafft haben, bekommt einen zweibeinigen Gefährten – und den gibt es jetzt auch mit deutschem Sprachprogramm. Neben Topfsets und Christbaumschmuck (ja, es ist wieder so weit) wird er im Internet als „Freund fürs Leben“ angepriesen. Pino, der Roboterjunge, hat Gefühle. Er besitzt eine computergesteuerte Psyche, die sich in drei Phasen entwickelt und traumatische Erlebnisse nicht vergisst. Wird Pino vernachlässigt oder misshandelt, hat das Folgen: Der Kleine bildet eine gestörte Persönlichkeit aus. An der Farbe seines Visiers lässt sich die Laune des knapp 40 Zentimeter hohen Gesellen im weißen Raumanzug mit Helm ablesen. Er will spielen, tanzen und singen oder mit anderen Pinos kommunizieren. Hat Pino schlechte Laune, dann sieht er rot und sträubt sich gegen alle Anweisungen.

Dass künstliche Wesen ein unkontrollierbares Eigenleben entwickeln können, weiß man spätestens seit „Blade Runner“. In diesem ScienceFiction-Film nach Philip Dicks Roman „Do Androids Dream of Electric Sheeps?“ rebellieren sie schließlich gegen ihre Schöpfer. Aber wozu brauchen Roboter Gefühle, wenn sie sie nachher nicht ausleben dürfen? Warum reicht es nicht, wenn sie auf Anweisung hüpfen, putzen, singen oder heimwerkern? Warum müssen sie fröhlich oder traurig, gelangweilt oder enthusiastisch sein? Weil uns Echtmenschen sonst langweilig ist. Weil wir Pino in die Ecke schmeißen würden, nachdem er zwanzigmal dasselbe Lied gesungen, fünfmal dasselbe Spiel gespielt hat und x-mal durchs Wohnzimmer marschiert ist.

Aber der kleine Pino macht uns nicht umsonst menschliche Bedürfnisse vor – und darauf, solche erfüllen zu wollen, sind wir programmiert. Niedliche Wesen zu bemuttern, macht uns so lange Spaß, bis sie trotzig werden. Und wenn sie dann erst zu eigenständigen Persönlichkeiten herangereift sind, deren Willen sich nicht deckt mit dem, was wir richtig finden, wenn uns die Folgen der eigenen Erziehungsfehler in der Seele wehtun, dann – nehmen Pinos Erziehungsberechtigte die Batterien heraus. Und das Leben beginnt von vorn.

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