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Kultur: Wo sind unsere Hubschrauber geblieben?

Nach der Flut: US-Rapper attackieren Bush

Das Publikum staunte nicht schlecht. Rapper Juvenile, dessen aktueller Hit „Slow Motion“ ihn eben zum reichen Mann gemacht hatte, als sein Haus in den Fluten von Hurrikan „Katrina“ versank, überraschte vergangenen Freitag auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz mit detaillierten Zahlen und Statistiken über die amerikanischen Militärausgaben. Seine Klage über das Versagen der Bush-Regierung gipfelte in dem Vorwurf, der Präsident lasse die verarmten Gemeinden im Süden des Landes im Stich. Denselben Tenor stimmen dieser Tage eine ganze Reihe schwarzer Popmusiker an, allen voran der als Saubermann unter den Rappern geltende Kanye West. Der hatte bei einem von NBC initiierten Benefiz-Konzert, das eigentlich für Solidarität mit den Opfern der Flutkatastrophe werben wollte, das Weiße Haus offen für seine diskriminierende Haltung angegriffen: „George Bush sind die Schwarzen egal.“

Eine beispiellose Politisierungswelle erfasst seitdem das schwarze Amerika. Stars wie Jay-Z, Sean „Diddy“ Combs sowie die aus New Orleans stammenden Erfolgsrapper Master P und Bryan Williams, die einen Gutteil ihres Immobilienvermögens verloren haben, geben große Summen an das Rote Kreuz und schicken Kleiderspenden aus den Depots ihrer Klamottenfirmen in die betroffenen Regionen. „Das sind unsere Leute“, heißt es.

Noch nie hat die notorisch zerstrittene Rap-Szene, die sich durch ihre protzige Vergötterung amerikanischer Statussymbole vom Elend der schwarzen Viertel und voneinander abzuheben versuchte, so einmütig auf ein Ereignis reagiert. Während in Dutzenden von Spendenaufrufen das Bild einer geeinten Nation heraufbeschworen wird, die sich in der Krise beizustehen weiß, bauen die Rapper ein von den üblichen Verteilungskampagnen unabhängiges Hilfswerk auf. Sie geben ihr Geld ihren Vierteln.

So zeichnen sich in der Glut der Empörung Umrisse einer Bürgerrechtsbewegung ab. In deren Zorn vermischt sich – wie einst im Anti-Vietnam-Protest – die Kritik am Kriegskurs der Regierung mit der Sorge um die katastrophalen Folgen, die die Bindung militärischer und finanzieller Kapazitäten für die heimischen Gefilde offenbart. Während Hollywoodgrößen wie John Travolta, der Hilfsgüter mit dem Privatjet in den überschwemmten Süden fliegt, und Morgan Freeman, der via Online-Auktion VIP-Tickets versteigern lässt, an die Solidarität der Mitbürger appellieren, fragt Michael Moore seinen liebsten Feind George W. süffisant: „Irgendeine Ahnung, wo unsere Hubschrauber sind?“ Und bietet ihm an, beim Wiederfinden zu helfen. Kai Müller

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