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Er ist so frei. Don Giovanni mit Lederjacke und Rüschen - mit 25 sind viele nicht so sexy wie Joop mit 65.

© André Rival

Wolfgang Joop: Der Rokoko-Rocker

Der Modezar Wolfgang Joop wirbt für die Deutsche Oper. Eine Begegnung zwischen Pappkulissen.

Die Hamburger sind schuld, dass Wolfgang Joop Oper nicht leiden kann. Damals, in den Achtzigern, ging in den Designerkreisen der Hansestadt ohne Musikdrama gar nichts: „Da musste schon zum morgendlichen Croissant die Callas singen“, erzählt er. Grauenhaft! „Überhaupt wurde ja in Hamburg der Etepetetismus erfunden!“

Also musste der Modemacher weg, nach New York, wo es noch richtig dreckig war und gefährlich. Na ja, mit der Coolness des big apple ist es mittlerweile auch vorbei. Seit Bürgermeister Rudolph Giuliani aufgeräumt hat, sieht es auch am Hudson River geleckt und langweilig aus. Und überhaupt: Punk war doch die letzte Revolutionsbewegung, das letzte Aufbäumen der Kreativität. „Seitdem zitieren wir nur noch, weil wir ja so gebildet sind, so postmodern, und alles mit jedem kombinieren. Aber das sind doch alles Sachen von früher.“

Eiserne Fashion- Disziplin, einst das Markenzeichen der Oberklasse, gibt es für Joop heute nur noch in der Popmusik: „Was Lady Gaga und Christina Aguilera tragen, das ist haute couture, auf die Spitze getriebene Mode, extrem unbequem, eine Gegenbewegung zum Überlegeren unserer Gesellschaft.“

Das ist das Tollste an Wolfgang Joop: Egal, welches Stichwort man ihm liefert, er sprudelt sofort los. Plaudert, fabuliert, ereifert sich, produziert Bonmots, reißt tausend Themen an, mal gaga, mal genialisch – bis irgendwann die Maskenbildnerin genug hat: „Wie soll ich dein Make-up machen, wenn du ununterbrochen redest?“, herrscht sie den Modezaren an. Und schickt den Gesprächspartner erst einmal weg. Weitere Fragen nach getaner Arbeit, bitte.

Der Beobachtungsposten in sicherer Entfernung ist aber auch nicht schlecht. Kaum ist Wolfgang Joop, dessen Namen alle Welt seit Jahrzehnten als Modemarkenzeichen kennt, fertig geschminkt, kontrolliert der 65-Jährige das Ergebnis im Spiegel, bessert hier nach, ändert dort um. Das gleiche Spielchen wiederholt sich beim Kostüm. Die anderen dürfen vorschlagen, er korrigiert, verfeinert, vollendet.

Dann, endlich, steht er da, wo der Fotograf André Rival ihn haben will: vor der goldenen Wand aus dem aktuellen „Dornröschen“-Ballett, in Heldenpose. Und Joop gibt den Tristan. Ja, genau den Tristan aus Richard Wagners Oper, die er noch nie gesehen hat. Aber das macht nichts. Denn der Modemacher soll ja keine Kostüme für das Stück entwerfen, sondern nur seinen Kopf hinhalten.

In der kommenden Saison wird Wolfgang Joop für die Premieren der Deutschen Oper Berlin werben, so wie vor ihm schon die TV-Frau Barbara Schöneberger und das Model Nadja Auermann, Joops langjährige Muse und frühere Nachbarin am Heiligensee in Potsdam. Kostenlos lassen sich die Stars in Szene setzen, gewissermaßen als Body-Sponsoring. Das Konzept, die Motive für Plakate und Programmvorschauen des hauptstädtischen Musiktheaters nicht mit Sängern zu realisieren, sondern mit Profis aus der Medien- und Modewelt, stammt von André Rival. Der Fotograf kennt jede Menge berühmte Leute, Menschen, deren Gesichter jeder sofort mit Glamour und großer Welt in Verbindung bringt. Die einen Glanz ausstrahlen, von dem gerne auch ein wenig auf Berlins größte Bühne in der Bismarckstraße fallen darf. Um Kunden anzulocken, die die Oper – aus welchen Gründen auch immer – für unsexy halten.

Wolfgang Joop ist definitiv sexy, wenn er sich jetzt vor der Kamera produziert. So viel Spaß am eigenen Körper haben die allermeisten nicht einmal mit 25, geschweige denn im Rentenalter. Einen Tag vor dem Fotoshooting hatte sich der Designer noch schnell die Handlung von „Tristan und Isolde“ erklären lassen – von seiner Exfrau, beim nachmittäglichen Käsekuchen auf der Terrasse seiner Potsdamer Wunderkind-Villa. Dabei stiegt in ihm plötzlich wieder die Erinnerung auf, wie sie 1983 in New York alle in den Film „Excalibur“ rannten – und sich die gay community hinterher fühlte wie eine verschworene Rittergemeinschaft. Heute morgen hat er dann schnell ein paar von den Stützstrümpfen geschnappt, die er im vergangenen Jahr für die Firma „Medi“ entworfen hat. Die trägt er nun – zu Schwert und Cape – an Beinen und Armen, schwarze Würste mit kontrastfarbigen Streifen an den Rändern, eine Spontankreation. Und was soll man sagen: Es sieht sensationell aus. So wie die Kombination aus privater Lederjacke und Rokoko-Rüschen beim „Don Giovanni“ oder die goldene Rolex am Arm des Göttervaters Jupiter aus Richard Strauss’ „Liebe der Danae“.

„In diesem Land gibt es kaum jemanden, der diese Rollen glaubhaft modeln könnte“, hatte Joop zuvor erklärt. „Weil ich konträr zum Opern-Mummenschanz stehe, weil ich immer in die Zukunft arbeite und gerade meine Sommerkollektion 2011 fertiggestellt habe. Also kann ich die Figuren unterwandern, mich selber ironisieren. Das ist sehr Berlin, sehr Trash, ernst genommener Kitsch.“

Treffender lässt sich nicht zusammenfassen, was da im Dekorationsmagazin der Deutschen Oper gerade geschieht. Im Schatten der Pappmaché-Engelsburg aus der steinalten „Tosca“-Inszenierung wuseln Rivals Kameraassistenten und die hauseigenen Garderobieren hin und her, Scheinwerfer werden zurechtgerückt, weitere Kostüme aus dem Fundus herangeschafft. Nur der Fotograf ist die Ruhe selbst, wartet geduldig, bis die Vorarbeiten erledigt sind. Das gehört zu seinem Job, bei Fotosessions für Modemagazine ist es nicht anders.

Um die erste Begegnung zwischen Kirsten Harms, der Intendantin der Deutschen Oper, und Wolfgang Joop rankt sich eine schöne Anekdote. Er soll sie angesprochen haben, wollte wissen, wer die attraktive Frau sei, die ihm wiederholt bei Societyanlässen aufgefallen war. Natürlich nutzte Kirsten Harms die Chance, den Designer sofort um eine Opernausstattung zu bitten – und holte sich einen Korb. Denn das Unikat, die Illusion des Einzelkostüms interessiert den sendungsbewussten Modemacher nicht: „Ich bin Designer, und meine politische Botschaft besteht ja gerade darin, dass ich Reproduzierbares entwerfe.“ Aber als Promopromi für das ihm so fremde Gesangsgenre ließ er sich gerne anwerben.

Und wer weiß, vielleicht kommt Wolfgang Joop in der kommenden Spielzeit ja doch mal zu einer der Premieren der Deutschen Oper. Vorausgesetzt, dass die Callas nicht singt.

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