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Kultur: Wolfgang Petersen: Ich bin ein Amerikaner

Reden wir zur Abwechslung mal von dem kleinen Wolfgang, dem ganz kleinen. "Wir wohnten damals in einer Baracke am Hafen", erzählt Wolfgang Petersen über seine frühen Jahre in Emden, "es gab kaum was zu essen.

Reden wir zur Abwechslung mal von dem kleinen Wolfgang, dem ganz kleinen. "Wir wohnten damals in einer Baracke am Hafen", erzählt Wolfgang Petersen über seine frühen Jahre in Emden, "es gab kaum was zu essen." Aber die Besatzungen der US-Schiffe, die dort regelmäßig einliefen, warfen den Kindern "Köstlichkeiten" herunter, "Weihnachtsmänner mit Schokolade, Apfelsinen, Kaugummi, Bananen und manchmal auch einige Stücke Fleisch!" Ja, diese Amerikaner standen für "Lebenslust", für "Überfluss". Schon für den Fünf-, Sechsjährigen waren sie "Vertreter einer schöneren Welt, reich, mächtig und freundlich. Das hat sich mir tief eingeprägt."

Der kleine Wolfgang, an den sich Petersen in seinem Buch "Ich liebe die großen Geschichten" (Kiepenheuer und Witsch, 1997) erinnert, wird heute 60 Jahre alt - und er hat in dieser seiner schöneren Welt so ziemlich alles erreicht, was man heute dort erreichen kann. Der Welterfolgs-Regisseur gehört in Hollywood zum kleinsten, feinsten Kreis derer, denen der final cut, die abschließende Kreativ-Kontrolle über jedes eigene Werk, zugestanden wird; er dreht alle paar Jahre große, spannende Actionfilme, die mit traumwandlerischer Sicherheit die Blockbuster-Rekorde brechen; nur der Ritterschlag Hollywoods, der Regie-Oscar, ist dem fleißigen Wahl-Amerikaner, der für sein "Boot" stattliche sechs und für spätere Filme mal drei, mal zwei Nominierungen einheimsen konnte, bislang verwehrt geblieben.

Angefangen hat der aus kleinsten, auch mäßig behausten Verhältnisssen stammende Petersen, der sich schon mit zwölf eine Schmalfilmkamera wünschte (die Mutter sparte sich und ihm die "Dralowid Reporter" vom Munde ab), beim Theater in Hamburg. Aber schon mit Mitte zwanzig, als er zum jungwilden ersten Jahrgang der in Berlin neu gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie gehörte, führt der Weg zum Kino. Erst freilich ins Fernsehen: aber auch da schon machte Petersen die Tatort-Serie groß, bevor er mit dem "Boot" 1981 seinen bis heute unübertroffenen Anti-Kriegsfilm drehte. Das unpatriotisch nüchterne Werk über den klaustrophobischen Kriegsalltag unter Wasser wurde seine Eintrittskarte für Hollywood. Und eröffnete ihm, merkwürdigerweise, den Weg ins Patriotische einen Kontinent weiter.

Seit zehn Jahren nun lebt und arbeitet Petersen in Amerika - und wie sein 14 Jahre jüngerer deutscher Hollywood-Kollege Roland Emmerich blickt er auf Amerika patriotischer als seine amerikanischen Kollegen selbst. Da mag der glückliche Kinderblick am Schiffsanleger ebenso eine Rolle spielen wie die lustvolle Kompensation für verständliche deutsche Verdruckstheiten in Sachen Nationalstolz, wie er bekennt. Immerhin ist ihm sein präsidentiales Weltenretter-Epos "Air Force One" ein bisschen weniger platt geraten als Emmerichs tönende US-Leistungsschauen "Independence Day" und "The Patriot". Und, auch das sei ihm angerechnet, in diesem Trara-Genre hat er es nur ein einziges Mal so richtig doll getrieben.

"In the Line of Fire" mit Clint Eastwood und vor allem "Outbreak" mit Dustin Hoffman sind Petersen ungleich subtiler geraten, bevor er sich mit dem letztjährigen "Sturm" noch einmal ein arg nasses Abenteuer gönnte. Dramaturgisch ging er mit Kapitän George Clooney dabei zwar baden, wie die weltweiten cineastischen Prüfstationen befanden, ökonomisch aber brachte auch dieser Film ihn auf die todsichere Seite. Nebenbei konnte Petersen seinen nachgewanderten Dauer-Konkurrenten, der zuvor mit "Independence Day" auf der Kassenschlager-Skala weit davongeeilt war, mit dem "Sturm" wieder auf das nächstkleinere Siegertreppchen verweisen.

Der kleine Wolfgang mag ein ganz Großer geworden sein, mit stets reserviertem Fensterplatz in den In-Lokalen der Westküste; im Innern aber ist er, und das rühmen sie an ihm, der bescheidene Junge aus Emden geblieben. Sein heiteres, ausgleichendes Temperament hilft ihm, all die Größen und Größenwahnsinnigen am Set auszuhalten, und in Sachen Luxus gilt Petersen in seiner zweiten Heimat geradezu als Sonderling. Seine Statussymbole: ein alter Mercedes, ein Jeep für seine Frau und das Haus in Santa Monica, das sie vor dreizehn Jahren gekauft haben. Kein Privatflugzeug, keine Motorradflotte, keine Inselgruppe im Pazifik. Und nicht einmal ein Boot, denn "Das Boot", das hatte er schon.

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