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© akg-images / Angelika Platen

Kultur: Wolken aus Stahl

Minimalist, Land Artist, Konzeptualist: Zum Tod des Amerikaners Walter de Maria.

Von Gregor Dotzauer

In der Eingangshalle zur Gemäldegalerie am Berliner Kulturforum gibt es so etwas wie einen Fremdkörper. Als einziges dreidimensionales Objekt behauptet sich Walter de Marias in den neunziger Jahren entstandene Brunnenskulptur „The 5-7-9 Series“ gegen die zweidimensionalen Kostbarkeiten ringsum. Vor lauter Schreck über so viel Gegenwart haben sie sich in die angrenzenden Räume verzogen und den in neun Dreiergruppen arrangierten Stahlsäulen, die durch jeweils fünf, sieben oder neun Ecken definiert sind, das Feld überlassen.

Nichts könnte das serielle Prinzip des 1935 im kalifornischen Albany geborenen Künstlers stoischer belegen, dessen „5-7-9 Series“ eine „4-6-8 Series“ vorausging und eine „3-4-5 Series“ folgte. De Maria, der die Malerei nach dem Studium hinter sich ließ, verlegte sich schnell darauf, Formen in minimalistischer Art und Weise durchzubuchstabieren. Dazu gehören auch seine Granitkugeln, von denen eine, die 25 Tonnen schwere „Large Red Sphere“ im Münchner Türkentor zu finden ist. Wenn der Eintritt in dieses Stadium seines Werks aus multimedialen Anfängen heraus auch erst 1968 vollständig erfolgte, so war es doch schon zuvor längst nicht mehr ausschließlich an die Bildenden Künste gebunden.

De Maria hatte als Pianist und Perkussionist seine ersten künstlerischen Ambitionen ausgelebt, war in den sechziger Jahren Drummer bei den Primitives und hatte zusammen mit John Cale und Lou Reed eine Vorläuferband der Velvet Underground mitbegründet. Die größte ästhetische Nähe empfand er allerdings zu dem Komponisten La Monte Young, dem Vater einer Minimal-Music-Variante, die ihrerseits Tendenzen zur Konzeptkunst hatte. Mit ihm arbeitete er in zahlreichen Happenings zusammen – auch John Cage widmete de Maria eine Arbeit.

Zum Minimalismus gesellte sich in den siebziger Jahren in Walter de Marias Land Art auch eine Art Maximalismus: Seine berühmteste, von der Dia Art Foundation in Auftrag gegebene Arbeit ist „The Lightning Field“ (1977), eine in Catron County, New Mexico, befindliche, nach einer Renovierung gerade wiedereröffnete Installation aus 400 Stahlsäulen, die sich auf einer Fläche von einem Kilometer mal einer Meile verteilen und Licht und Wolken hundertfach gebrochen reflektieren. Aus demselben Jahr stammt sein spektakulärstes europäisches Projekt. Mit dem „Vertical Earth Kilometer“ schuf er für die Kasseler Documenta eine zwei Zoll dicke Messingstange, die er am Friedrichsplatz in die Erde bohren ließ: Das Objekt verschwindet vor den Augen des Betrachters.

De Maria, der am vergangenen Donnerstag im Alter von 77 Jahren gestorben ist, war seit Monaten schwer angeschlagen. Auf einer Reise zum 100. Geburtstag seiner Mutter im vergangenen Mai hatte er einen Schlaganfall erlitten, von dem er sich nie mehr richtig erholte. Eine zweite Attacke kostete ihn nun endgültig das Leben. Gregor Dotzauer

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