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Im Clinch. Zauberkünstler (Colin Firth) gegen Hellseherin (Emma Stone).

© Warner

Woody Allen und "Magic in the Moonlight": Die große Illusion

Wer mit knapp 80 noch einen schönen Film nach dem anderen dreht, kann nur ein Kino-Magier sein. Woody Allen ist zudem einer, der souverän mit dieser Rolle spielt. In "Magic in the Moonlight" hat er sich zudem in den Cast hineingezaubert - natürlich unsichtbar.

Von einer Nebenrolle im episodischen „To Rome With Love“ (2012) abgesehen, hat sich der Schauspieler Woody Allen zuletzt diskret aus Woody-Allen-Filmen zurückgezogen. Seine letzte Hauptrolle war, in „Scoop“, der quasselsüchtige Zauberer Splendini, beileibe nicht zu verwechseln mit dem historischen Kollegen Houdini – und an seiner Seite kam Scarlett Johansson als detektivisch recherchierende Journalistin Sandra Pronsky wunderbar spielend zu ihrem ersten Knüller. Zauberisch auch die letzte Einstellung: Der hampelnde und haspelnde Splendini, soeben am Steuer eines Smart den Tücken des britischen Linksverkehrs zum Opfer gefallen, hält sich und seinen Mitreisenden auf der Barke in die Ewigkeit den Tod vom Leibe – mit Kartentricks, versteht sich.

Das ist nun acht Jahre her, eine kleine Ewigkeit. Und fühlt sich an wie heute, denn Woody-Allen-Filme verströmen jedes Jahr von Neuem den Zauber, dass die Zeit nicht wirklich vergeht. Soeben ist das 80. Lebensjahr dieses Kino-Magiers angebrochen, und in seiner neuesten, ungeheuer federleichten Komödie steckt besonders viel Woody Allen, ja, seine ganze Philosophie. Dabei steht der Regisseur, wie in seinen sieben Filmen zuvor, nicht vor der Kamera – oder hat er sich doch in den Cast hineingezaubert? Der von Colin Firth gespielte Illusionist, der in „Magic in the Moonlight“ in allerlei Nöte gerät, tritt unter dem Künstlernamen Wei Ling Soo auf. Vertauscht man nun die Buchstaben des Anagramms so flink wie beim Hütchenspiel, ergeben die Karten – Schummeln gehört zum Handwerk – schwupps den Schriftzug Woody Allen.

Mit bürgerlichem Namen heißt der Magier, der da unter imposanter Chinesenmaske sein Berliner Publikum der zwanziger Jahre in den Bann zieht, Stanley Crawford. Der britische Misanthrop verachtet sein Publikum ebenso wie den Verwandlungszirkus und Verschwindehokuspokus, dem er den eigenen Nimbus verdankt. Sein Credo: Perfekte Illusion ist nichts weiter als das Ergebnis perfekter Technik. Wer’s glaubt, ist selber schuld. Und wer an mehr glaubt als an die imposant klappernde Mechanik der Rationalität, gehört auf den Mond geschossen, wo die blöden Romantiker wohnen.

Und Emma Stone verhext sie alle

Dieser Stanley ist von ganz anderem Kaliber als der hibbelige Splendini, der als emsiger Exekutor seines Irreführungstalents agierte – und ähnelt auch insofern dem echten Houdini, als er nebenberuflich allerlei Hellseher als Scharlatane enttarnt. Nächstes Opfer des bekennenden Anti-Spiritisten soll die ihm von Zaubererfreund Howard (Simon McBurney) zugeführte Sophie (Emma Stone) sein, die als Medium Furore macht. Derzeit logiert sie, hoch über der Côte d’Azur, in der Villa einer Amerikanerin. Die reiche Dame will sich, hingerissen von Sophies Talent, bei spiritistischen Sitzungen der einstigen ehelichen Treue ihres verstorbenen Gatten versichern. Und ihr Sohn Brice (Hamish Linklater) ist seinerseits bereits unsterblich in Sophie verliebt.

Klingt staubig? Richtig, so staubig wie die beim Tee und eitel Sonnenschein geäußerten Ansichten – und so köstlich falsch wie der Gesang des um Sophie werbenden und gern im Kleinejungs-Matrosenkostüm paradierenden Troubadours Brice, der seine Darbietungen ulkig per Ukulele begleitet. Jedenfalls bis Stanley auftritt: Dann wird, so der Plan des unter falschem Namen firmierenden Eindringlings, Klartext gesprochen zwischen den Profi-Täuschern Sophie und Stanley und jeglicher Mumpitz mit mindestens Descartes’scher Schärfe dekonstruiert. Doch Sophie erschüttert ihn gleich doppelt: In Sachen Medialmagie scheint sie über echte Kräfte zu verfügen, und – manchmal ist es wie verhext – dann tun auch noch ihre überirdisch großen Augen sowie ihre göttliche Gestalt im Hormonhaushalt des sturzknöchernen Stanley das ihrige.

Klingt noch staubiger? Der Verdacht mag sich insofern weiter erhärten, als ausgerechnet Stanleys betagte Tante Vanessa (Eileen Atkins), selber Eigentümerin eines traumhaften Anwesens, dramaturgisch immer mehr ins Zentrum rückt. Die Dialoge allerdings, die Stanley in diesem eleganten Retro-Ambiente anzettelt, sind schneidend modern. Dass er unter dem Einfluss offenkundig allseitig wirkender magischer Kräfte bald ebenso radikal dem Rationalismus abschwört, wie er ihn vorher vertrat, gehört zu den typischen Woody-Allen-Ironien: Seine dummklugen Stellvertreterfiguren sollen ordentlich leiden, bevor er sie komödiengerecht erlöst. „Magic in the Moonlight“ – auch deshalb so amüsant wie spannend, weil der Zuschauer nie mehr weiß als Stanley – gipfelt in dieser Hinsicht in einer geradezu genialen Pointe.

Er sei Romantiker und Realist, hat Woody Allen soeben im Tagesspiegel-Interview gesagt. Sein Spätwerk vereinigt, ob im erlittenen Schmerz der Figuren oder in ihrer unersättlichen Liebeslust, diese scheinbar konträren Lebenskonzepte souverän. Allem Ende wohnt ein Zauber inne.

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