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Kultur: Wort & Mord

PANORAMA Karmakars „Hamburger Lektionen“

Im Juli 2005 stieß der Regisseur Romuald Karmakar in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ auf einen Beitrag über den islamistischen Prediger Mohammed Fazazi. Der bis dahin unbeachtete Marokkaner hatte Ende der Neunzigerjahre in der Hamburger Al-Quds-Moschee gelehrt die von drei Todespiloten des 11. Septembers besucht wurde.

Karmakar wandte sich an den Autor Dirk Laabs, der einige Videobänder besaß, die zeigen, wie Fazazi im Januar 2000 vor mehreren hundert Anhängern Fragen zum islamgemäßen Verhalten beantwortet. Karmakar beschloss, die unveröffentlichten Bänder als Grundlage für einen Film zu verwenden. Schon 1999 hatte er die Posener Geheimrede des SS-Führers Heinrich Himmler verfilmt. „Das Himmler-Projekt“ war seinerzeit ein filmisches Wagnis: Der Schauspieler Manfred Zapatka saß vor einer starren Kamera und las die Rede vor.

Ebenso reduziert funktionieren nun die „Hamburger Lektionen“. Zapatka sitzt in dunklem Sakko auf einem Holzstuhl vor dunkler Wand. In der Hand hält er einen Stapel mit Papieren, von denen er die theologischen Ausführungen Fazazis rezitiert. Das Wort spielt die Hauptrolle, der Zuschauer wird zum Zuhörer. Um sich nicht dem Vorwurf der Ungenauigkeit auszusetzen, hat Karmakar den Originaltext akribisch von verschiedenen Übersetzern bearbeiten lassen. Mehrfach schiebt Zapatka Erklärungen religiöser Begriffe wie Fußnoten in den Text ein. Nur ganz am Anfang und in der Mitte des mehr als zweistündigen Films zeigt Karmakar die Al-Quds-Moschee in Außeneinstellungen. Und doch entwickelt die akademisch-strenge Inszenierung einen unheimlichen Sog.

Denn Fazazis Lehre ist eine Kriegserklärung an den Westen. Die einzige Autorität sei der Koran, wiederholt er so oft, bis es selbst der Zuschauer glaubt. In Fazazis Universum existieren nur Gläubige und unreine Ungläubige. Die Frage, ob Muslime von den Ungläubigen stehlen dürften, verneint Fazazi. Aber: Zwischen beiden herrsche Krieg, denn der Westen raube den Muslimen die Rohstoffe und behandle sie wie Sklaven. Also sei es die Pflicht jedes Moslems, ihnen zu schaden.

Karmakars Film ist der erste nachvollziehbare Blick in die hermetische Geisteswelt radikaler Muslime in Deutschland. Doch Karmakar behauptet nicht, den Islam zu zeigen. Er führt die „Hamburger Lektionen“ vielmehr als historisches Dokument vor; alle darüber hinaus gehenden Assoziationen ereignen sich im Kopf der Zuschauer. Kurz nach den Anschlägen vom September 2001 reiste Fazazi nach Marokko, wo er später verhaftet wurde.

Heute 21.30 Uhr (Cinestar 7)

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