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Kultur: "Wortstücke": Kreuzworträtsel leuchten im Raum - Bernhard Garbert im Koch-Hörsaal der Charité

Es gibt in Berlin versteckte Ausstellungsplätze aktueller Kunst. Etwa den Robert-Koch-Hörsaal im Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Charité.

Es gibt in Berlin versteckte Ausstellungsplätze aktueller Kunst. Etwa den Robert-Koch-Hörsaal im Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Charité. Zwischen ARD-Hauptstadtstudio und Unter den Linden liegt hinterm Reichstag das alte Klinikgebäude: zentral mitten im neuen Berlin und doch im Verborgenen. Drinnen scheint die Zeit Ende des 19. Jahrhunderts stehengeblieben. Vor Betreten des Lehrsaals für angehende Mediziner müssen auch Besucher einen kleinen Härtetest absolvieren. An den altmodischen Vitrinen voller tubekulöser, in Spiritus eingelegter Lungenflügel führt kein Weg vorbei. Anschließend steht man im Hörsaal vor steil abfallenden Holzbankreihen, blickt über die Balustrade hinunter zum Demonstrationstisch. Man nimmt zwangsläufig in kerzengerade steifer Haltung auf einem der Klappstühle Platz und würde sich nicht einmal wundern, erschiene plötzlich Robert Koch in dem nach ihm benannten Hörsaal. Um hier wie anno 1882 seine Entdeckung des Tuberkelbazillus vorzustellen.

Bernhard Garbert kreuzt für seine Installation Dreibuchstabenworte. Achtzig einzelne "Wortstücke" bestehen jeweils aus fünf Buchstaben, die er in Kreuzform montiert. So entstehen doppelsinnige Begriffe wie "Doc-Tor", "Ode-Ade" "Art-Dry" "Cae-Sar" "Not-Rot" und ein kryptisches "Bca-Bca". Mit lichtempfindlichem Pigment, das sich bei Beleuchtung auflädt und anschließend nachleuchtet, hat er die Kartonbuchstaben seines schwebenden Kreuzwortraumrätsels bestrichen. Garbert benutzt für seine Wortskulpturen verschiedene Sprachen. Sie entstanden in Deutsch und Englisch, aber auch in Türkisch wie bei dem Wortkreuz "Dur-Sur", was soviel wie "Halt" und "Schweig" bedeutet. Bei einigen Begriffen, beispielsweise "Ben-Sen", überläßt der Berliner Künstler das Rätselraten allein dem Betrachter. Seine "Wortstücke" will Garbert auch im Sinn einer Aufführung verstanden wissen. Es geht ihm um Raum- wie Sprach- und Klangkunst. Der Betrachter soll in der Rolle des Ko-Autors und Performers die Wortskulpturen für sich vollenden, den Spielraum beim Sehen und (Vor-)lesen mit eigener Bedeutung füllen.

Garbert, der an der HdK bei Johannes Geccelli Malerei studierte, benutzte Mitte der achtziger Jahre aufgeklappte Verpackungskartons als Bildträger. Dann diente ihm Sprache ein Rohstoff. Mit einfachsten Mitteln und Materialien will er sinnfällige Wortzusammenhänge mit verkürztem Sinn schaffen. Auslöser waren Schreibmaschinenzeichnung: Aus Verdruss über die stupide Aufgabe, eine eigene Bildhauerbiografie zu schreiben, tippte er immer wieder denselben Buchstaben. Daraus entwickelte er erste "Rot-Kreuz-Gedichte" für Wände oder Fußböden. Garberts "Wortstücke" setzten die Ausstellungsreihe "Vier Jahreszeiten" der Charité fort, in der zuvor Annibel Cunoldi, Werner Klotz, Inge Mahn, Suiko Shinon und Quin Yufen Arbeiten für den Robert-Koch-Hörsaal schufen.

Elfi Kreis

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