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Kultur: "Wunderbare Stalinisten"

An drastischem Vokabular herrschte kein Mangel, als Georg Baselitz kurz nach dem Fall der Mauer seine Sicht der Dinge in Sachen DDR-Kunst formulierte.Teil zwei seines Beitrags zur deutsch-deutschen Wiedervereinigung ließ nicht lange auf sich warten: Mit Aplomb trat der 1938 als Georg Kern im sächsischen Deutsch-Baselitz geborene, 1957 in die Bundesrepublik übergesiedelte "Malerfürst" aus der Berliner Akademie der Künste aus.

An drastischem Vokabular herrschte kein Mangel, als Georg Baselitz kurz nach dem Fall der Mauer seine Sicht der Dinge in Sachen DDR-Kunst formulierte.Teil zwei seines Beitrags zur deutsch-deutschen Wiedervereinigung ließ nicht lange auf sich warten: Mit Aplomb trat der 1938 als Georg Kern im sächsischen Deutsch-Baselitz geborene, 1957 in die Bundesrepublik übergesiedelte "Malerfürst" aus der Berliner Akademie der Künste aus.

An seiner Ablehnung der ostdeutschen Künstlerschaft hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn er sich inzwischen vermeintlich milde gibt.Man könne Kunst "nicht verurteilen, nur weil sie nicht zu unserer Avantgarde gehört", so Baselitz im Gespräch mit dem Kunstmagazin ART.Doch wohlgemerkt: Damit sind nicht etwa die DDR-Kollegen des Künstlers gemeint, sondern die stalinistischen Maler Isaak Brodskij und Geli M.Kortschew, deren "wunderbaren Bildern" Baselitz in seinem Gemäldezyklus für das Reichstagsgebäude ein Denkmal gesetzt hat.Im selben Atemzug gibt Baselitz zu Protokoll, er wolle seine Tiraden von früher nicht mehr kommentieren, schließlich würden "sowieso alle Systeme Geschichte".Natürlich sagt er auch, daß er seine Äußerungen nicht als Provokation verstanden wissen möchte.Dabei ist genau das Gegenteil der Fall.Baselitz weiß das.

Die unversöhnliche Haltung, die hier zutage tritt, erinnert an den Kunststreit in der unmittelbaren Nachkriegszeit.Damals bekämpften sich gegenständliche und abstrakte Maler bis aufs Messer.Karl Hofer, Wortführer der "Gegenständlichen", litt so sehr unter den Angriffen, daß sie ihn vor der Zeit ins Grab brachten, und auch sein erbitterter Gegner, der Kunstkritiker Will Grohmann, war fortan seinen guten Ruf los.Seitdem ist klar, daß die Kritik dem Kritisierten die Möglichkeit lassen muß, Würde zu bewahren.Unnötig zu erwähnen, daß mittlerweile sowohl Hofer als auch seine Antipoden ihren Platz in der Kunstgeschichte haben, und zwar im gleichberechtigten Nebeneinander, als Ausdruck eines vitalen, historisch fundierten Pluralismus.Man braucht keine besonderen prophetischen Fähigkeiten, um vorauszusehen, daß dies auch bei der aktuellen Kontroverse so sein wird.

Von solchen Überlegungen jedoch scheint Baselitz frei zu sein, genauso wie die vielen anderen, denen er aus dem Herzen spricht.Vielleicht ist es auch ein Generationenproblem, geprägt von Ideologie und offenbar tief sitzenden persönlichen Verletzungen: Zumindest ist von den jüngeren Künstlern mit DDR-Sozialisation nichts Vergleichbares zu hören.Die Jungen wissen, daß Kunst nicht für haßerfüllte Glaubenskämpfe taugt.Die Alten sind von dieser Erkenntnis anscheinend noch weit entfernt.

ULRICH CLEWING

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