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Kultur: Wunderkammer der Geschichte

Auf der Tefaf in Maastricht finden sich Kunstschätze von der Antike bis in die Gegenwart

„Mit dem neuen Design sind wir endlich im 21. Jahrhundert angekommen“, meint Konrad Bernheimer, Spezialist für Alte Meister und Inhaber von Bernheimer Fine Old Masters in München und Colnaghi London. Und er behält Recht. Denn „The European Fine Art Fair“ , besser bekannt unter dem Kürzel Tefaf, zieht die Besucher mit einem raffinierten Stilwechsel in ihren Bann. Messearchitekt Tom Postma und der britischen Designer David Bentheim schmücken das Foyer aus Tausenden weißer Tulpen, lassen die Blumen Säulen wie Lorbeerkränze umrunden und liefern so den wohltuend schlichten Gegenakzent zu schwelgerischen Blumengebinden und welkenden Vanitasblüten auf den vielen Stillleben, die zum Angebot dieser „Fairest of the Fairs“ gehören, der schönsten der weltweit führenden Messen.

Großzügige Gänge zwischen den Ständen mit Teppichbahnen in verschiedenen Grautönen, vielfältige Farbabstufungen von Rosa über Zinnober bis zu Weinrot, dazu sandgelb, lindgrün und taubenblau für die luxuriösen Séparées der Händler, schließlich helle, leichte Tischchen und Lederstühlchen für Ruhepausen verbreiten eine Atmosphäre entstaubter Eleganz. Wo 200 Tophändler aus 14 Ländern bis zum 13. März mit herausragenden Kunstobjekten wetteifern, muss sich der Raumarchitekt zurücknehmen. Das tut auch Hauptsponsor „Axa Art“, die einzige, auf Kunst spezialisierte Versicherung überhaupt, die ihre Koje dem Thema Feuer widmen, seinen dramatischen Darstellungen durch die Jahrhunderte ebenso wie der Geschichte seiner Bekämpfung.

Ein motivischer Schwerpunkt durchweht die Messe wie ein feiner melodischer Faden zur Feier des 500. Geburtstags von Andrea Amati, Lehrer Antonio Stradivaris. So findet nicht nur ein Jubiläumskonzert unter Einsatz von drei antiken Violinen im Theater am Vrijthof statt, die fragilen Instrumente sind auch auf der Messe ausgestellt – und mit ihnen eine nicht geringe Zahl von Werken zum Thema. Harfe und Spinett aus dem 18. Jahrhundert stehen bei den Londoner Pelham Galleries in einem verzaubernden Rahmen aus Paneelen, Pilastern und einem Fries, gefertigt in der Reveillon-Werkstatt und um 1785 mit Vögeln, Blüten, Arabesken und weiblichen Figuren verziert. Der römische Händler Cesare Lampronti bietet ein Stillleben des italienischen Künstlers Evaristo Baschenis mit zierlichen Flöten und massigen Bässen aus dem 17. Jahrhundert an, während sich die Londoner MacConnal-Mason Galleries bemühen, Liebhaber von distinguiertem Kitsch mit der lieblichen Genreszene eines höfischen Konzerts von Vittorio Reggianini aus dem frühen 19. Jahrhundert in entzückte Trance zu versetzen. Eher skurril, gleichzeitig voller Charme zeigt sich Barry Flanagans „Large Troubadour“, die 2004 entstandene Bronzeplastik eines Cello spielenden Hasen bei den Londoner Waddington Galleries.

Zweifellos noch spannender geworden ist der Bereich der Moderne, den dieses Jahr Aussteller wie die New Yorker Aquavella Galleries und der in Köln, Paris und St. Moritz etablierte Karsten Greve verstärken. Superlative in Qualität (und Preis) sind hier die Werke von zwei eher tragischen Heroen des 20. Jahrhunderts. So verstört Francis Bacons „Study for Portrait“ von 1957 bei der Züricher Marlborough Galerie mit einem Papst, dessen Gesicht aussieht wie von Beulenpest entstellt (12 Millionen Dollar), und Jean Michel Basquiats Portrait von „Sugar Ray Robinson“ aus dem Jahr 1982 bei der Amsterdamer Delaive Gallery ist nicht weniger als eine drei Millionen Dollar kostbare Ikone des US-Boxers.

Unschlagbar wie immer ist die Tefaf in der Sektion der Alten Meister und der Gemälde und Antiquitäten des 18. und 19. Jahrhunderts. Beim Mailänder Händler Rob Smeets bannt das Stillleben eines Falken, gemalt um die Mitte des 16. Jahrhunderts vom anonymen lombardischen Meister mit seiner fast surrealen Mehransichtigkeit und den eisklaren Farben(3 Millionen Euro). Viel erotischer als vergleichbare Arbeiten von Jeff Koons sind drei mythologische Werke des französischen Malers Jean-Francois de Troy vom Anfang des 17. Jahrhunderts. Wie sich bei Bernheimer-Colnaghi „Paris und Oenone“ (800000 Euro) in zärtlicher Umarmung verlieren, so geben sich bei Segoura Antiquaires „Venus und Adonis“ und „Almacis und Hermaphroditus“ ihren amourösen Spielen hin (2,8 Millionen Euro). Ein berückendes Beispiel der zahlreichen Gemälde italienischer Provenienz ist die traumverwunschene, rosé überhauchte Venedigansicht von Francesco Guardi (2,85 Millionen Euro).

Angesichts all dieser europäischen Schätze wirkt die neue Tefaf-Kunstmarktanalyse doppelt ernüchternd. Sollte die Europäische Union dieses gemeinsame „Folgerecht“ tatsächlich einführen, drohen der Kunst der Moderne, so Experte Victor Ginsburg, gravierende Verluste von Marktanteilen für alle Länder der EU. Zu befürchten ist, dass der Handel in die Schweiz und die USA abwandert.

Auf einer Messe, bei der ein Höhepunkt den nächsten jagt und allein die glitzernden Pretiosen von Buccellati, Cartier, Graff und Hemmerle so manchen Frauen den Verstand rauben können, muss die Qual der Wahl eklektisch bleiben. Die wohl exzentrischste Offerte der Messe ist ein um 1850 in Frankreich gefertigtes Cape aus Pfauenfedern bei Deletaille, Brüssel.Extravagant wirkt aber auch das Portrait eines jungen Schwarzen mit Turban von Peter Paul Rubens, das der Londoner Händler Jean-Luc Baroni für 2,5 Millionen Pfund anbietet. Beinahe schon dekadent mutet dagegen die lebensgroße römische Marmorstatue des Paris an, die aus der Zeit Hadrians um 120 v. Chr. stammt und bei Rupert Wace, London, für 650000 Euro offeriert wird. Im 18. Jahrhundert restaurierte man den Jüngling, dessen hochmütigen Blick der Besucher noch lange im Rücken spürt.

Eva Karcher

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