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Kultur: Wut und Würde

Zum Tod der Schriftstellerin Doris Lessing.

Die britische Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing ist tot. Die Autorin des Bestsellers „Das Goldene Notizbuch“ (1962) starb im Alter von 94 Jahren in ihrer Londoner Wohnung.

Berühmt wurde die Schriftstellerin und „sanfte Linke“, die sich gegen Rassismus und für die Rechte der Frauen einsetzte, gleich mit ihrem Erstling „Afrikanische Tragödie“ von 1950, einer sensiblen Erzählung über all jene, die in Afrika unter der Kolonialherrschaft litten. „Das Goldene Notizbuch“, ein Klassiker der Moderne, trägt autobiografische Züge, im Mittelpunkt stehen zwei ungebundene, engagierte Frauen. Vom Feminismus wollte die für ihren politisch wie psychologisch wachen Blick geschätzte Autorin sich aber nicht vereinnahmen lassen; das Nobelkomitee würdigte sie 2007 gleichwohl als „Epikerin weiblicher Erfahrung, die sich mit Skepsis, Leidenschaft und visionärer Kraft eine zersplitterte Zivilisation zur Prüfung vorgenommen“ habe.

Geboren wurde Lessing am 22. Oktober 1919 im persischen Kermanschahoren. Die Familie zieht nach Südrhodesien, dem heutigen Simbabwe, das Mädchen verschlingt Bücher. Ihre prägenden Einflüsse, sagte sie später, seien die Kindheit in Zentralafrika, die Folgen des Ersten Weltkriegs und dicke Romane gewesen, Tolstoi, Dostojewski. Sie bricht die Schule ab, jobbt, liebäugelt mit dem Kommunismus, zwei Ehen scheitern. Nach dem Umzug nach England lebt sie vom Schreiben, über 40 Bücher hat sie verfasst. Eine blitzgescheite, pragmatische, selbstbewusste Frau, später eine würdige Grande Dame der Literatur, aber auch eine wütende Greisin, wenn sie sich etwa in ihrer Nobelpreisrede über die Belanglosigkeiten des Internets empörte.

Im Alter lebte Lessing zurückgezogen mit Katze in ihrem Londoner Haus – und verfolgte aufmerksam, was in der Welt geschieht. Um Afrika hat sie sich bis zuletzt Sorgen gemacht. chp (mit KNA)

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