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Powerstimme. Xenia Rubinos, 31, lebt in New York.

© Camilo Fuentealba/Promo

Xenia Rubinos Album "Black Terry Cat": Mit Haut, Haaren und Hirn

Hip-Hop trifft Rock, Jazz und Funk: Xenia Rubinos' hervorragendes Album „Black Terry Cat“.

Ein kleiner Spaziergang durch Brooklyn. Überall Restaurants, Bistros und Imbisse – französische, chinesische, italienische. Doch was vorne dransteht, wird hinten gar nicht von Franzosen, Chinesen oder Italienern gekocht. Am Herd stehen Latinos: „French bistro, dominican chef/Italian restaurant, boricua chef/Chinese takeout, mexican chef“. Mit diesen Zeilen beschreibt Xenia Rubinos sprechsingend die Eindrücke eines abendlichen Streifzugs durch ihre New Yorker Wahlheimat. Sie eröffnet damit den Song „Mexican Chef“, der angetrieben von einer sägenden E-Gitarre und einem nervösen Schlagzeug im gesungenen Teil noch deutlicher auf die Klassengesellschaft eingeht: „Brown cleans the house/Brown takes the trash/Brown even wipes your granddaddy’s ass“, heißt es da bezogen auf die vielen Latinos, die in den USA harte, schlecht bezahlte Arbeit verrichten – oft ohne gültige Papiere.

Xenia Rubinos zählt sich selber zu den „Braunen“, genauer gesagt zu den Afro-Latinos. Die 31-jährige Musikerin wuchs als Tochter einer Puerto Ricanerin und eines Kubaners in Hartford, Connecticut, auf und lebt seit zehn Jahren in New York. Auf ihrem gerade erschienenen zweiten Album „Black Terry Cat“ beschäftigt sie sich intensiv mit brownness und blackness. So zitiert sie etwa in dem Stück „I Won’t Say“ einige Sätze aus dem 1966 publizierten Essay „Who Will Revere The Black Woman?“ (Wer wird die schwarze Frau ehren?) der afroamerikanischen Jazz-Sängerin und Aktivistin Abbey Lincoln, in denen es um die Haare, die Haut und die Hintern schwarzer Frauen geht. Weil diese nicht den weißen Schönheitsstandards entsprächen, würden sie abgewertet.

Augenbrauen zupfen? Nö! Und der Bart soll auch wieder wachsen

Das fühlt sich für Xenia Rubinos 50 Jahre später noch genauso an, weshalb sie kraftvoll gegen die einengenden Konzepte anrappt- und singt. Im souligen „Laugh Clown“ konstatiert sie zu Beginn, dass sie ihre Augenbrauen schon seit einem Monat nicht mehr gezupft hat und irgendwann auch ihren Bart wieder wachsen lassen will. Ihre Stimme steht dabei fast frei, was den Zeilen einen manifestartigen Charakter gibt.

Der Rest des Stückes zeigt allerdings, dass dieses Selbstbewusstsein von Zweifel zerfressen ist und sich die Sängerin häufig wie der titelgebende Clown fühlt, dessen Lachen sie wie ein Schluchzen klingen lässt. Im Text wimmelt es zudem von Fragezeichen. Und im Refrain wirkt die verführerische Geschmeidigkeit von Rubinos Gesang beinahe ironisch, denn dort heißt es: „Does your brain feel fine/When you’re fighting/ Does your brain feel fine/When you’re losing with your mind?“ Ob sich das Gehirn beim Kämpfen und Verstandverlieren gut fühlt? Wohl kaum. Der Weg zum stolzen Selbstverständnis ist lang und hart.

Xenia Rubinos integriert die kämpferischen Elemente und die Feier von schwarzer Schönheit, die derzeit ja auch im Werk von Beyoncé eine große Rolle spielt, auf höchst elegante Weise in das schillernde Facettenreichtum ihres Albums. Denn „Black Terry Cat“ ist von einer großen Stilvielfalt und Spielfreude geprägt. Es lässt sich keinem Genre klar zuordnen, sondern verbindet R’n’B, Hip-Hop und Funk mit Jazz- und Rocksplittern. Mal blitzt Rubinos Verehrung für Nina Simone („Black Star“) auf, mal scheint durch, dass sie zur Inspiration viel Erykah Badu gehört hat. Auch an die fusionsfreudige Jazzmusikerin Esperanza Spalding muss man hin und wieder denken, etwa wenn sich im wunderschönen „Lonely Lover“ Gesang und Bass spiralförmig umeinanderwinden, auseinanderdriften und wiederfinden.

Die Basslinie ist der Nukleus, aus dem alles entsteht

Den Bass, den Rubinos im Gegensatz zu Spalding nicht studiert hat, spielt die New Yorkerin bei den meisten Stücken selbst. Sie benutzte ihn auch beim Komponieren, um von den Mustern wegzukommen, auf die sie bei ihrem Erstinstrument, dem Klavier, gerne zurückfällt. Eine gute Entscheidung, die der Platte eine angenehme Geradlinigkeit verleiht. In „Don’t Wanna Be“, einem der frühen Höhepunkte, bildet das vom Bass gespielte Intervall den Nukleus, aus dem alles entsteht und zu dem alles zurückkehrt. Er kann aber auch mal funky werden wie in „LL“ oder wütend umhertigern wie in „See Them“.

Das Zentralgestirn von „Black Terry Cat“ ist aber die Stimme von Xenia Rubinos. Klar und strahlend wie Fensterglas nach dem Frühjahrsputz, erklingt sie oft verdoppelt und verdreifacht. Man glaubt sofort, dass Rubinos als Kind Mariah Carey-Fan war und ihre Mutter manchmal noch eine Extra-Runde um den Block fuhr, damit die Kleine einen im Autoradio laufenden Song ihres Idols bis zum Ende mitsingen konnte. Die Eltern förderten auch sonst ihre Musikbegeisterung: Mit vier bekam sie ein Klavier, mit acht eine Karaoke-Maschine.

Später studierte Xenia Rubinos am Berklee College in Boston Gesang, eiferte ihren Heldinnen Nina Simone, Billie Holiday und Judy Garland nach. Überdies traf sie dort zwei junge Männer, mit denen sie 2012 ihr erstes Album „Magic Trix“ aufnehmen sollte: den Toningenieur Jeremy Loucas sowie den Produzenten und Schlagzeuger Marco Buccelli. Am aktuellen Werk hat das Trio fünf Monate lang täglich 16-17 Stunden im Studio gearbeitet. Ihre Akribie und ihr Durchhaltevermögen haben sich gelohnt: „Black Terry Cat“ ist ein phänomenal abwechslungsreiches Album geworden, eines der spannendsten in diesem Jahr. Hoffentlich lässt es Xenia Rubinos Bekanntheitsgrad exponentiell in die Höhe schnellen: Gern würde man ihre Stimme und ihre brown beauty einmal auf einer Berliner Bühne bewundern.

„Black Terry Cat“ erscheint bei Anti/Indigo.

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