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Das Amatis Trio aus Amsterdam: Die Geigerin Lea Hausmann, der Pianist Menjie Han und der Cellist Samuel Shepherd.

© Kai Bienert/Young Euro Classic

Young Euro Classic: Der Klang der Zeit

Ein Wien-Abend mit dem Amatis Trio und Hanns-Eisler-Studierenden beim Festival "Young Euro Classic" im Berliner Konzerthaus.

Zögernd, leise begibt man sich auf seinen Platz, das erste Konzert seit Anfang März, fast wird einem bang. Das Prekäre, die Verunsicherung hat auch ihre Schönheit, so duftig, wie Haydns Klaviertrio Nr. 39 G-Dur herüberweht.

Das Amatis Trio aus Amsterdem hat sich an diesem zweiten, der Musikstadt Wien gewidmeten „Young Euro Classic“-Abend der Behutsamkeit verschrieben, der Intensität auf engstem Raum. Jede Terz, jede Sext, jede Sekundwellenbewegung kündet von versuchter Nähe, von einer Innigkeit, die um ihre Gefährdung weiß. Sei es bei Schuberts Notturno D 897 gegen Ende des Konzerts, sei es bei den Miniaturwerken der Neuen Wiener Schule.

Die jungen Musiker – neben der Geigerin Lea Hausmann, dem Cellisten Samuel Shepherd und dem Pianisten Mengjie Han vier Studierende der Hochschule Hanns Eisler – haben ein Programm zusammengestellt, das ganz auf Konzentration und Essenz setzt.

Die Minutenstücke von Schönberg, Webern und Berg dauern oft nur nur wenige Takte, heben jeden einzelnen Ton aufs Tapet. Von Null auf ultimative Erregung: Mancher Forte-Akkord kommt wie aus dem Nichts.

Das Ende des Schweigens im abstandsbedingt schütter besetzten Saal geht an diesem Abend nicht mit Wumms über die Bühne, nicht mit kollektiver Intensität, nach der man sich ja auch heftig sehnt. Sondern mit zart gesponnenen Fäden, die aus eben jener Stille kommen, wie sie hier über viele Wochen geherrscht haben muss.

Vor allem der Klarinettist Takahiro Katayama verströmt bei Alban Bergs vier Stücken op. 5 eine Seelenruhe von geradezu hypnotischer Wirkung. Himmlische Kurzelegien, somnambule Wiederholungsschleifen – bis Marco Sanna auf dem Klavier ein paar wuchtige Basstöne hämmert. Und doch hat die Klarinette das letzte, leise Wort, mit einer hingehauchten kleine Septime.

Schuberts "Erlkönig" legt der Bass-Bariton Jongree Park als Miniaturoper an

Die vier Schubert-Lieder, die der Bass-Bariton Jongree Park beisteuert, bringen dann doch etwas Theatralik und Bodenhaftung ins Spiel. Das Gewicht der Melancholie in „Wer sich der Einsamkeit ergibt“, die dramatischen Rollenwechsel im „Erlkönig“ lassen wiederum das Kunstlied zur Miniatur-Oper mutieren. Auch dank Bang-In Jungs temperamentvoller Klavierbegleitung.

Was hat einem nun all die Monate gefehlt? Noch im Pianissimo gewinnt der Klang im akustisch ja nicht unkomplizierten Konzerthaus plastische Konturen, vielleicht ist es das. Und der Musik wächst eine physische Dimension zu, ein Raumerlebnis und Körpergefühl, das sich beim noch so perfekten Livestream nicht einstellen mag. Die Stille wird greifbar, die Zeit nimmt Gestalt an.

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