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Das Nationaal Jeugd Orkest unter der Leitung von Antony Hermus bei Young Euro Classic.

© Kai Bienert/Mutesouvenir

Young Euro Classic: Mit dem Teufel Walzer tanzen

Das Jugendorchester der Niederlande interpretiert beim Festival Young Euro Classic Brahms und Prokofjew überschwänglich.

Die Vierte zieht die Summe von Johannes Brahms’ symphonischem Schaffen – musikalisch, aber auch vom Charakter her. Die Formverbissenheit, das pompöse Auftrumpfen, das ständige Anrennen der Motive, die immer wieder steckenbleiben: Drücken sie nicht auch etwas von Brahms’ komplizierter Liebschaft zur Symphonie im Allgemeinen aus? Für seine Erste in c-Moll brauchte er 14 Jahre, mit der heiter-gelösten, pastoralen Zweiten bog er nur scheinbar ins Helle ab. Spannend also zu hören, was junge Musiker mit diesem Trumm anfangen können – wie jetzt das Nationale Jugendorchester der Niederlande beim Festival Young Euro Classic.

Zunächst aber Ballett, Auszüge aus Prokofjews „Cinderella Suite“. Antony Hermus am Pult dynamisiert den sämigen Streicherteppich, behält auch im wildesten Tutti die Fäden in der Hand. Lyrisch und verträumt, mit viel Raum für sanftes Blech und Holz, gerät die Passage, in der Aschenbrödel zum Ball geht; ihre nervöse Vorfreude macht Prokofjew mit zackigen Einwürfen deutlich. Dann der Große Walzer: Hermus dirigiert ihn mit scheinbar kilometerweit ausgreifenden Armbewegungen, die Musiker machen daraus einen infernalischen Teufelstanz.

Esoterik mit dem Holzhammer

Jenseitiges färbt den Abend auch in der Deutschen Erstaufführung von Willem Jeths „Mors Aeterna“. Der niederländische Komponist sagt, der Tod sei das einzige Mysterium, ihm wolle er Töne verleihen. In die Schallwellen des Gongs hinein setzt das Schlagwerk Spuren, leise Posaunen übernehmen, die an das grummelnde Thema von Fafner erinnern, mit dem Wagner „Siegfried“ eröffnet. Irisierend hohe Streicher, ungewohnt hohe Hörner, zwei schockierende Schläge eines Holzhammers und ganz in der Ferne der Klang von Wassergläsern, über deren Rand Finger fahren: das schafft eine esoterische Atmosphäre zwischen Traum und Albtraum.

Schließlich mündet das Stück wieder in den Gong. An den Hermus ohne Pause den ersten Satz von Brahms’ 4. Symphonie anschließt, was erstaunlich gut passt. Aber hier zeigt sich ein unguter Zug der Niederländer, der auch schon in der Prokofjew-Suite angelegt war: Sie können mitreißen, lassen sich aber zu leicht vom majestätischen Charakter der Musik beeindrucken, werden überschwänglich, fast schlampig in den Details. Wo ein analytisch-hellwacher Zugang möglicherweise Ungeahntes entdecken könnte, deckt der Klang Zwischentöne und Zwielichtiges zu. Allerdings kann man den Eindruck dann beim Publikumsfest auf dem Gendarmenmarkt runterspülen, zu dem Festivalchefin Gabriele Minz mit dem schönsten Satz des Abends einlädt: „Und damit das alles funktioniert, gibt es Freibier.“

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