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Die Nationale Jugendphilharmonie der Türkei.

© Mutesouvenir/K. Bienert

Young Euro Classic: Weich, romantisch, gedämpft

Die Nationale Jugendphilharmonie der Türkei bei Young Euro Classic.

Solche Worte machen Hoffnung: Als „Laboratorium der Demokratie“ versteht sich die Nationale Jugendphilharmonie der Türkei. Sie reist aus einem Land nach Berlin, in dem ein einziger Mann gefühlt länger an der Macht ist als im Kreml und in dem jeder zivilgesellschaftliche Impuls eminent wichtig und willkommen ist.

Cem Mansur hat das Orchester 2007 gegründet, jetzt steht er beim Festival Young Euro Classic im Konzerthaus am Pult. Und, Überraschung oder nicht, die jungen Musiker und Musikerinnen streifen recht souverän alle Klischees ab, die über das orientalisch-heißblütige, mediterrane Temperament der Türken kursieren mögen. Weich, romantisch, gedämpft, voller Innenschau sind sowohl Mansurs Dirigat als auch der Klang.

Blicke nach innen

Was ganz gut zu den Stücken passt. Auch die blicken nach innen oder über die Schulter in die Vergangenheit, was generell ein Trend in diesem Jahr bei Young Euro Classic zu sein scheint. Nach Iván Fischers Festivalhymne, an diesem Abend von einem Streichquintett mit Kontrabass interpretiert, gibt sich Peter Tschaikowsky in der recht unbekannten Mozartiana- Suite op. 61 seiner Leidenschaft für Mozart hin, der hundert Jahre vor ihm gelebt hat: Wiener Klassik im Gewand russischer Romantik.

Auch die Variationen über ein (von Tschaikowsky frei erfundenes) Rokoko-Thema op. 33 spielen virtuos mit dem Stil eines vergangenen Zeitalters. Solist Poyraz Baltacigil am Cello wirkt vom Auftreten her so, als wolle er dem eher reflexiven Spiel des Orchesters mit impulsivem Zugriff entschlossen begegnen, passt sich dann aber ziemlich schnell an.

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Auch Gabriel Fauré, gestorben 1924, beschert in seiner Suite „Masques et Bergamasques“ historischen (Tanz-)formen wie Madrigal, Menuett oder Gavotte ein unerwartetes Nachleben, er bedient sich auch bei eigenen Kompositionen, die er als junger Mann geschrieben hat. Mit der Uraufführung von Evrim Demirels zweiten „Osmanischen Miniaturen“ (die ersten entstanden vor 20 Jahren) betritt dann endlich Musik der Gegenwart die Bühne – und klingt, was ja auch irgendwie in die Zeit passt, ziemlich martialisch, ja militärisch, vor allem wegen der unablässig eine Art Marsch vorgebenden Pauke. Später legen sich dann auch reflexive Momente darüber, intoniert vor allem von der Oboe.

Auch im Finalstück, Robert Schumanns Ouvertüre, Scherzo und Finale“ op. 52, umschiffen Mansur und seine Mannschaft allzu offen die Brillanz, bevorzugen den Schleier der Scheherazade, entwickeln damit aber trotzdem eine ganz eigene klangliche Attraktivität. So richtig frei heraus, voller Vitalität und Lebenslust, bricht sich dann erst die Zugabe Bahn: der Furiant aus der tschechischen Suite von Antonín Dvorák. Udo Badelt

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