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Kultur: Zehn Sänger, zehn Freunde sollt ihr sein

Von Stephanie Nannen Weißer Sand, Dünengras – eine leichte Brise streicht über die Nordseeinsel Sylt und trägt den salzigen Duft des Meeres über die sonnendurchflutete Landschaft. So ähnlich hatten sie es sich vorgestellt auf der berühmten Insel.

Von Stephanie Nannen

Weißer Sand, Dünengras – eine leichte Brise streicht über die Nordseeinsel Sylt und trägt den salzigen Duft des Meeres über die sonnendurchflutete Landschaft. So ähnlich hatten sie es sich vorgestellt auf der berühmten Insel. So hatten deutsche Freunde das Ferienparadies beschrieben, in dem sie – The Ten Tenors – eine Woche lang allabendlich auftreten sollten. Was dann kam war für die zehn australischen Sänger ein wahrer Kulturschock. Regen, Sturm, Blitz und Donner erwarteten David, Matt, Nathan, Dominic, Jason, George, Drew, Dion, Stewart und Craig am anderen Ende des Hindenburgdamms.

„Wow, das ist anders!“, sagt David und gibt damit seinen Befürchtungen Ausdruck, die Deutschen könnten sich doch wesentlich von den Australiern und möglicherweise allen anderen Menschen auf dieser Welt unterscheiden. – Ein stärkendes Frühstück im Hotel, wenn auch ohne den Sirup für die Waffeln, den Dominic so liebt, lässt die Welt schon freundlicher aussehen.

Und die zehn Tenöre aus Brisbane mögen ihre deutschen Zuschauer – sehr sogar. „Die haben einen phantastischen Sinn für Humor und man kommt schnell in Kontakt“, sagt Matt. „Das Wichtigste für uns ist, dass die Leute sich amüsieren, eine gute Zeit mit uns haben.“ Später, im „Meerkabarett“ – ein Verwandter des Berliner Tipi-Zelts, zeigt sich, was er mit der Kontaktfreudigkeit gemeint hatte. Die Tenors sind nahbar, schlüpfen nach der Show in bequeme Kleidung, heben die Trennung zwischen Bühne und Auditorium auf und trinken – ganz Australier – das eine oder andere und weitere Bier mit den Gästen. Sie fühlen sich sichtlich wohl dabei – keine Spur von Performance, keine einstudierten Monologe. Zehn Männer im Alter zwischen 22 und 32; der eine erinnert an den Sohn, der zweite an den Freund und der dritte an den Lieblingsschauspieler. Das allerdings ist kein Zufall: Denn danach wurden sie ausgewählt, damals 1995 in Brisbane, um ein Geburtstagsständchen für die dortige TV-Station „Network Ten“ darzubieten – für jeden Geschmack einer.

Dabei wäre es geblieben, hätten die Jungs nicht Blut geleckt. „Allerdings“, gibt Matt zu, „lagen die Ursachen doch etwas tiefer“. Keine Knabenmorgenblütenträume haben die Tenöre dazu bewogen, sich trotz klassischer Gesangsausbildung am renommierten Queensland-Konservatorium, zu einer Gruppe zusammenzuschließen. Schlechte Berufschancen in der Opernbranche führten dazu, dass sie das Wagnis eingingen, „The Ten Tenors“ zu werden. Heute bespielen sie Konzertsäle jeder Größe, die häufig weit im Voraus ausverkauft sind.

Die Mischung macht das Erfolgsrezept: Man nehme Gassenhauer wie „Volare“ und „Funiculi, Funicula“, die man – Pavarotti sei Dank – vom Italiener-um-die-Ecke kennt, dazu Puccinis „Che Gelida manina“ und BeeGees’ „Stayin’ alive“ und „How deep is your love“. – „Opera without the boring bits“ – erklärt Matt den Zuschauern das Konzept: Oper ohne den langweiligen Teil. Das klingt im argwöhnischen deutschen Ohr verdächtig nach Kommerz. Relativiert sich aber, wenn man den Tourplan und die vielen schlaflosen Nächte kennt. Trotz der Reisestrapazen und obwohl sie beim Sylt-Erkunden nass geworden waren, bringen die Aussies Leidenschaft und Lebensfreude auf die Bühne. Mit Augenzwinkern hier und Schäkern da, hüllen sie das Publikum ein. „Wenn die Leute klatschen und kreischen, vergessen wir Müdigkeit, schmerzende Füße, Kopfweh – einfach alles“, sagt Matt.

Das verbreitete Vorurteil, Tenöre seien selbstverliebt, Ich-bezogen und dumm kommentiert Dave mit einem Lachen: „Ich denke, das ist wahr. Ja, das stimmt!“ – „Nein, im Ernst“, sagt er „wir lieben es, einander in heikle Situationen zu bringen. Wir konkurrieren gern. Es ist herrlich zu sehen, wie der andere – übrigens auf sehr intelligente Weise – auf jokes reagiert.“ Das Publikum liebt diese Scherze und so bleibt im genau einstudierten Programm auch Platz für Fantasie.

Monatelang mit denselben Menschen auf engem Raum zu leben, ist eine Herausforderung. „Das Geheimnis“, sagt Matt, „ist, dass wir uns lieben. Wir sind ehrlich zueinander. Du weißt, wann der eine Zeit für sich braucht, wann der andere Heimweh hat. Es ist wie eine Familie – ein großes Glück.“

Heimweh merkt man den Tenören an. Nicht nur, wenn Dion mit süßer Stimme zur australischen Quasi-Hymne „Waltzing Matilda“ anhebt. Auch wenn David mit stolzer Brust auf der Bühne steht, weil seine Eltern den weiten Weg gemacht haben und in der ersten Reihe sitzen, ist die Verbundenheit mit der Heimat zu spüren. „Ich vermisse die Kochkünste meiner Mum“, schwärmt Dominic. „Ich liebe das geröstete Lamm, das sie bereitet, mit Karotten, Kartoffeln, Erbsen und Kürbis. Fabelhaft!“ Nach einer Weile auf Tour haben die Tenors das eintönige Essen satt. In Ruhe im Restaurant zu sitzen, ohne auf die Zeit zu achten, ist nicht drin. Gegessen wird im Zuschauerraum – meist Pasta oder Pizza, selten Salat oder Gemüse. In Berlin werden sie zwischendurch einige Tage nicht auf der Bühne stehen. „Dann werden wir all das nachholen“, plant Dominic.

The Ten Tenors: Tipi,Tiergarten, 23.7. bis 1.9., Di – So, 20.30 Uhr, Karten: 0180/327 93 58.

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