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Zeig mir Deine Farben: Deutsch-afrikanisches Tanztheater in Berlin

Körper gegen Körper: In "À contre corps", einer Zusammenarbeit der Compagnie Toula Limnaios mit dem Ensemble Jant-Bi aus dem Senegal, sieht man immer wieder heftige Konfrontationen.

Von Sandra Luzina

Zwei Tänzer, die mit aller Macht aufeinander losgehen, sich ineinander verkeilen, die ziehen und zerren, bis sie auf wundersame Weise zu einem Gleichgewicht der Kräfte finden. Es sind allesamt prekäre Balanceakte zwischen Nähe und Distanz, zwischen Anziehung und Abwehr des Fremden.

In „À contre corps“ wird aus dem viel beschworenen Dialog der Kulturen eine fesselnde Tanzperformance. Dank der Unterstützung durch das Auswärtige Amt konnte Toula Limnaios mit fünf ihrer Tänzer in den Senegal reisen. Zwei Mal haben die Berliner eine einmonatige Arbeitsphase in der Ecole des Sables, der wohl berühmtesten Tanzschule Afrikas absolviert. Anfang März sind dann vier Tänzer des Ensembles Jant-Bi in Berlin eingetroffen. Die Senegalesen bringen eine neue Facette in den Tanz. Es ist erstaunlich, wie gut das multiethnische Ensemble in nur wenigen Wochen zusammengewachsen ist. Tänzer aus unterschiedlichen Kulturen treffen für diesen Abend in der Halle Tanzbühne aufeinander: Europäer, Afrikaner, Asiaten und Lateinamerikaner. Das Stück handelt von der Erfahrung der Fremdheit – erkundet wird aber auch die eigene Fremde. Es erzählt aber auch von Annäherung: Wer hier einen Schritt auf den anderen zugeht, muss sein vertrautes Terrain verlassen. Der Erforschung dieser ungewissen Zwischenzone hat sich das Stück verschrieben.

Momente eines clash of cultures blitzen nur kurz auf, werden aber immer wieder aufgelöst. Wenn Limnaios die Gruppen der Schwarzen und der Weißen gegenüberstellt, dann messen sie sich aneinander, konkurrieren mit ihren unterschiedlichen Tanzstilen. Bisweilen hat es etwas von einer Beschwörung, wie die Cliquen in einen energetischen Austausch treten. Die afrikanischen Inspirationen sind stark zu spüren, doch Limnaios mischt sie mit anderen Einflüssen. So rutscht der Abend nie in die Ethno-Kunst ab. Geradezu hypnotisch ist der Sound: Der Komponist Ralf R. Ollertz hat afrikanische Gesänge aufgenommen und elektronisch bearbeitet, er kombiniert Trommelrhythmen mit Akkordeonklängen. Auch Limnaios gelingen tolle Verfremdungseffekte, wenn sie afrikanische oder japanische Bewegungen in eine zeitgenössische Tanzsprache übersetzt. Großartig ihre Idee zum Thema Maske: Die Tänzer malen sich alle einen weißen Kreis ums Gesicht – was asiatisch inspiriert ist – und formieren sich zu einer verschworenen Gemeinschaft. Es erinnert an eine Kommunion, wenn sie niederknien und einen Altar bilden. Brot, Wasser und Erde sind Bestandteile dieses Rituals. Mit weißem Pulver bestäubt oder mit einer Schlammmaske bedeckt, scheinen sie auch ihre Identität zu wechseln – die Farben ihrer Seele.

Ute Pliestermann und Elhadji Ibrahima Ndoye Ndiaye beschließen den Abend mit einem so zärtlichen wie zupackenden Duo. Ihr Körper ist schwarz bemalt, seiner weiß. Mit jeder Berührung mischen sich die Farben. Jede Begegnung stellt ein Wagnis dar, das wird an diesem so berückenden wie beglückenden Abend sinnlich erfahrbar. Sandra Luzina

Halle Tanzbühne Berlin, Eberswalder Str. 10–11, 17.–20. und 24.–27.6., 21 Uhr

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