zum Hauptinhalt

Zeitgeschichte: Studie: Bollhagen profitierte von Enteignung

Die Keramikerin Hedwig Bollhagen (1907– 2001) hat wirtschaftlich vom Nationalsozialismus profitiert, das Regime aber nicht gezielt unterstützt. Zu diesem Ergebnis kommt die Historikerin Simone Ladwig-Winters in einer gestern veröffentlichten Studie des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung.

Demnach erwarb ein NSDAP-Mitglied und Vertrauter der Künstlerin ihre „HB-Werkstätten“ 1934 zu einem Drittel des eigentlichen Werts von den jüdischen Eigentümern. In den Werkstätten wurden während des Zweiten Weltkriegs etwa zehn Zwangsarbeiter eingesetzt, was häufig die Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Produktion war. Die Bedingungen dieser Zwangsarbeiter seien als vergleichsweise günstig zu beurteilen. Die „HB-Werkstätten“ nahmen auch Aufträge der SS an.

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs hatte die Studie in Auftrag gegeben. Im Januar war in Potsdam eine Bollhagen-Retrospektive zu Ende gegangen, deren Schirmherrin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bollhagen als „fortschrittliche und sehr mutige Frau“ gewürdigt hatte. Das Markenzeichen der Keramikerin waren geometrische Muster und blau-weiße Streifen auf schlichtem Geschirr. Das Gutachten zeichne ein klares Bild, auch wenn aufgrund lückenhafter Quellen die Rolle Bollhagens nicht in jeder Hinsicht vollständig aufgeklärt werden konnte, so die Bilanz der Studie.

Der wichtigste Komplex der 99 Seiten umfassenden Expertise untersucht den gegen Bollhagen erhobenen „Arisierungs“-Vorwurf. Margarete Heymann- Loebenstein, die jüdische Inhaberin der Haël-Werkstätten für künstlerische Keramik Marwitz, verkaufte ihren Betrieb 1934 deutlich unter Wert. Sie habe im NS-Staat keine Chance zu seiner erfolgreichen Fortführung gesehen. Das NSDAP-Mitglied Heinrich Schild habe diese Situation genutzt, um Grundstück, Warenlager und Knowhow des Unternehmens zu erwerben. Bollhagen müsse um die Diskriminierung, Diffamierung und Verfolgung Heymann-Loebensteins gewusst haben, heißt es in der Studie. „Mit dem Kauf zogen die Erwerber Gewinn aus den veränderten politischen Verhältnissen und machten sich zu ,stillschweigenden Partnern’ des nationalsozialistischen Systems.“ dpa /Tsp

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false