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Kultur: Zeitungsstoffe

Stephan Hanns Kostüme im Kunstgewerbemuseum

Das allererste Modell verdankt seine Entstehung der chronischen Geldnot seines Schöpfers. Als Stephan Hann vor knapp 20 Jahren eine Schneiderlehre absolvierte, konnte er sich teure Stoffe nicht leisten und griff stattdessen zu Papier, aus dem er „Carmen“, eine südländisch angehauchte Robe, fertigte. Aus der Not ist eine Tugend geworden: Der in Berlin geborene und seit 2003 auch in Paris lebende Designer hat Dutzende Modelle aus Alltagsmaterialien geschaffen.

An die 70 Stücke zeigt nun das Kunstgewerbemuseum. Zu sehen gibt es avantgardistische Kleider aus Architekturplänen, pompöse Kostüme aus Telefonbuchseiten oder waghalsige Zelluloid-Kreationen. Das Modell „Amazone“ aus schillernden Tetrapak-Schnipseln mutet an wie die moderne Version einer Meerjungfrau, „Peacock“ ist ein Pfauenrad, das aus CDs gebildet ist.

Neu ist diese Art des Produktrecyclings wahrlich nicht. Jedoch überzeugen die Stücke vor allem durch ihren Detailreichtum. Hunderte, ja tausende Fotonegative und Zeitungsseiten sind hier in Handarbeit gefaltet, gerollt und zusammengenäht worden. Zudem ist Hann, der bereits mit „Moët & Chandon“ oder „Swarowksi“ zusammengearbeitet hat, schlicht ein fähiger Modedesigner. Seine Kreativität erschöpft sich nicht in der Verwendung ungewöhnlichen Materials, sondern zeigt sich auch in den mal eleganten, klassischen, mal extravaganten Schnitten und Formen.

Wer dies alles zu profan findet, kann die Werke des Exilparisers auch als ein Stück Sozialkritik interpretieren: So lassen sich die üppigen Rüschen aus Dollarnoten-Imitaten am Modell „Million Dollar Baby“ auch als modischer und – angesichts der Finanzkrise – aktueller Kommentar zu Materialismus und Kommerz begreifen. Stefanie Erhardt

Kunstgewerbemuseum, Kulturforum,

bis 1. März, Di–Fr 10–18, Sa/So 11–18 Uhr

Stefanie Erhardt

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