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Kultur: Zieh Leine, Wäsche!

Der junge Mann hat es extrem eilig. Nervös wartet er an der ersten Tür im vordersten Wagen, dass der Zug endlich in den U-Bahnhof einfährt, sprintet die Treppen hoch, tänzelt an der roten Ampel vom linken Fuß auf den rechten, saust bei Gelb los – und verschwindet in der City-Toilette auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Der junge Mann hat es extrem eilig. Nervös wartet er an der ersten Tür im vordersten Wagen, dass der Zug endlich in den U-Bahnhof einfährt, sprintet die Treppen hoch, tänzelt an der roten Ampel vom linken Fuß auf den rechten, saust bei Gelb los – und verschwindet in der City-Toilette auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Doch kein naheliegendes menschlich-allzumenschliches Bedürfnis treibt ihn an. Hinter der sich schließenden Doppeltür, registriert der Vorbeilaufende aus dem Augenwinkel, wartet eine junge Frau auf ihn. Knack, das Schloss rastet ein, das Display springt auf „Besetzt“. Was die beiden jetzt vorhaben, geht keinen was an. Dass sie hier etwas vorhaben, ist das Bemerkenswerte: In Ermangelung eines eigenen Autos, zu weit entfernt von der nächsten lauschigen Parkbank, behilft sich das Teenager-Pärchen, indem es die prosaische Bedürfnisanstalt neu definiert, das Hightech-Pissoir zum Liebespavillon erklärt. Rendezvous in the loo – allein zu zweit inmitten des brausenden Verkehrs. Hormoneller Überdruck macht erfinderisch. Das darf gern Schule machen. Entdeckt neue Nutzungen für Straßenmöbel – denn sie sind die Geißel des Großstadt-Flaneurs.Spannt Wäscheleinen zwischen den Laternen auf! Stellt Barhocker vor die Verteilerkästen! Papierkörbe werden Sektkühler! Raus mit dem verdorrten Grünzeug aus dem Blumenkübel: Jedes graue Eternit-Sechseck ist in Wahrheit ein Mini-Swimmingpool. Denn über dem Pflaster liegt der Strand: Die Einschiffung nach Kythera findet ab sofort im Parkhafen statt.

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