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Kultur: Zugabe an der Ostsee

Der Galerist Dieter Brusberg geht mit seinen Werken auf Abschiedstournee nach Ahrenshoop.

Fast hat er etwas von jenen alten Rockstars, die noch und noch einmal Abschiedskonzerte geben. Auch Dieter Brusberg zeigte immer wieder letzte Ausstellungen in seiner Galerie am Kurfürstendamm, bevor er sie 2010 endgültig schloss. Heute geht er wie ein Rockmusiker tatsächlich auf Tournee mit seiner Kunst, diesmal in den Norden nach Ahrenshoop.

Vermutlich hätte der inzwischen 78-Jährige das von sich selbst nicht gedacht. Anfangs wollte er nur die Galeriearbeit modifizieren und sich angesichts der veränderten Marktlage stärker auf den Handel konzentrieren, weniger Ausstellungen organisieren. Die großen großen Räume in der Belle Etage des Gründerzeithauses wurden zugunsten der kleineren Hofgalerie im Gartenhaus eingetauscht, wo sich einst das Skulpturenlager befand.

Im nächsten Schritt begab sich Brusberg auf die Suche nach einem Nachfolger, der die vor fast dreißig Jahren an der Ecke Uhlandstraße gegründete Galerie samt Adressdatei und Bibliothek übernehmen, ja eigentlich sein Erbe antreten sollte. Einfach war das sicher nicht, für beide Seiten. Denn hier wurden immer die Figurativen geehrt, von Bellmer bis Botero, hier wurde in den achtziger Jahren für DDR-Maler die Türe nach Westen geöffnet. Heute residiert die Galerie Rosendahl, Thöne & Westphal in den Räumen.

Das Archiv befindet sich inzwischen bei der Berlinischen Galerie, ein Großteil der Plastik ist in eine vor vier Jahren gegründete Stiftung für den Skulpturenpark des Westend-Krankenhauses eingebracht. Seit auch das Schaulager am Fürstenplatz aufgegeben ist, betreibt Brusberg den Kunsthandel allein von seinem Privathaus aus: eine Villa in Westend, die einst der Zirkusdirektorin Paula Busch gehörte. Das passe, schließlich bestehe zwischen Manege und Galerie eine gewisse Ähnlichkeit, so der Kunsthändler.

„Berlin am Meer“ heißt die neueste Tat in Anspielung auf einen Bildtitel seines Zentralgestirns Werner Heldt. Die Ausstellung mit über hundert Arbeiten von 1918 bis in die Gegenwart wird ab Ende August in Ahrenshoop im Grandhotel Kurhaus zu sehen sein. Mag die Pressereferentin des Hauses auch raunen „Es könnte seine letzte Ausstellung sein, sein Vermächtnis“. Der Rockmusiker der gegenständlichen Malerei gibt zu verstehen, er würde sofort wieder auf die Bühne gehen.

Sich Brusberg als Pensionär, als Sommerfrischler vorzustellen, das gelingt dem Vollblutgaleristen selber kaum. Und so kombiniert er Profession und Freizeitvergnügen. Oliver Schmidt, Besitzer des 2012 eröffneten Grandhotels, hatte diese Disposition bei dem Kurgast, der regelmäßig im Pool des Hauses seine Bahnen zog, offensichtlich erkannt. Auf die Frage, wie ihm denn die Kunst an den Wänden gefiele, bekam er zur Antwort: „Wenn Sie es ernst meinen, muss alles raus hier.“ Der Hotelier nahm ihn beim Wort und holte sich Brusberg für den Neustart an Bord.

Anlässlich der Übergabe des neuen Ahrenshooper Kunstmuseums – ein Konglomerat von Einraumhäusern von Staab Architekten, vergleichbar einer reetgedeckten Hofanlage – wird am darauffolgenden Tag am 31. August im Hotelfoyer die Brusberg-Ausstellung eröffnet. Sie stellt eine Bilanz seiner Galeristentätigkeit dar: beginnend mit Werken der klassischen Moderne von Walter Dexel, Ernst Wilhelm Nay, Max Pechstein, Christian Rohlfs und Kurt Schwitters über Horst Antes, Dieter Goltzsche, Hans Laabs, Rolf Szymanski, Hans Uhlmann bis hin zu Torsten Warmuth und Vincent Wenzel. Es sind seine Liebsten, seine Wegbegleiter, seine jüngsten Entdeckungen. Zugleich ist es ein Gruß an Berlins Badewanne, wie der Ostsee-Ort gern genannt wird, der in den vergangenen hundert Jahren Urlauber wie Künstler aus der Hauptstadt anzog.

In Ahrenshoop wird für Brusberg sinnfällig, was er immer schon in der Kunst zu spüren glaubte und bei Heldt explizit dargestellt sah: sich wiederholende Strukturen wie Wellenlinien, Werden und Vergehen wie Ebbe und Flut, das Phänomen einer zurückkehrenden Natur, die sich die Stadt, die Zivilisation wieder einverleibt. Werner Heldt, der mit seiner Bilderserie „Berlin am Meer“ immer auch auf die Gewalttätigkeit des nur kurz zurückliegenden Krieges anspielte, fand mit seinen vom Wasser umspülten Häusern eine geradezu symbolische Bildformel. „Das ist ein Modell unseres Verhältnisses insgesamt zu Kunst und Kultur,“ so Brusberg. Irgendwann kehrt alles zum Ursprung zurück.

Das ist typisch für den Galeristen, immer das Ganze in den Blick zu nehmen, die Kunst poetisch und politisch zu verstehen. Wer ihn heute nach der Situation des Kunstmarktes fragt, wird immer noch scharfe Antworten erhalten – zu den neuen Sammlern, den verhängnisvollen Auktionen, wie Blue Chips die Preise verderben und dass nirgends so viel gelogen wird wie auf Messen. „Was ich jetzt mache, ist absolut altmodisch“, erklärt er. Auch diese Pose kennt man von alternden Rockmusikern, aber das Publikum will schließlich gerade die Stücke von gestern hören – und sehen. Nicola Kuhn

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