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Kultur: Zugpferde gesucht

Das Rheinland expandiert: Die Art Cologne präsentiert sich zum 40. Jubiläum merklich frischer

Zehn Pferde sind die heimlichen Stars der diesjährigen Art Cologne. In einer geräumigen weißen Box scharren die belgischen, rheinischen und friesischen Vierbeiner mit den Hufen und mümmeln Heu. Bei der vom Veterinäramt zugelassenen Lebendinstallation handelt es sich um die Rekonstruktion einer fast 40 Jahre alten Performance des heute 70-jährigen Arte-Povera-Meisters Jannis Kounellis. Die Arbeit wurde ursprünglich in einer römischen Galerie realisiert und war als Kritik an der Kommerzialisierung der Künste gedacht. Heute erntet sie selbst Kritik: von besorgten Tierschützern.

Ansonsten ist vom subversiven Potenzial nicht viel übrig geblieben – es sei denn, man interpretiert den würzig-penetranten Stallgeruch, den die Vierbeiner verbreiten, als Gestank des Geldes. Auf einer Veranstaltung wie der Art Cologne, bei der jährlich um die 60 Millionen Euro umgesetzt werden, ist die Kounellis-Arbeit freilich in erster Linie ein prächtiges Zugpferd für die zuletzt wegen sinkender Qualität in die Kritik geratene Traditionsmesse.

Doch allen Unkenrufen zum Trotz verlief der Auftakt der 40. Art Cologne rosig: Zur Vernissage kamen deutlich mehr Gäste als in den Jahren zuvor – 16 000 sollen es gewesen sein. Bis zum 5. November werden rund 70 000 Menschen über den Parcours aus Kojen von 185 internationalen Galerien laufen. Bereits am Eröffnungsabend wurden gute Verkäufe gemeldet. Im Vorjahr ist die Veranstaltung in moderne Messehallen verlegt worden und verfügt nun über ein großzügiges Entree: eine Riesenfreitreppe mit weitem Panorama.

Die richtige Einstimmung für hochwertige Kunst von der Klassischen Moderne bis in die Gegenwart. Das teuerste Werk der Art Cologne ist Roy Lichtensteins „Woman with Peanuts“ (1962), eines der letzten verfügbaren Werke aus der Zeit der beginnenden Pop-Art. Bis vor kurzem war strittig, ob die Retuschierungen der ausgestreckten Hand der Peanutsdame vom Künstler selbst stammen. Im Auftrag der Münchner Galerie Terminus ist per Röntgenuntersuchung kürzlich die Künstlerhandschrift bestätigt worden. Die Investition hat sich ausgezahlt: Das Werk kostet nun 4,5 Millionen Euro.

Ein Arrangement von musealem Rang präsentiert auch die Galerie Salis und Vertes aus Salzburg mit zwölf erstklassigen Dubuffets (28 000 bis 2,6 Millionen Euro). Benden & Klimczak (Viersen/Köln) bieten für 3,5 Millionen Euro ein eindrucksvolles Querformat von Andy Warhol aus einer Privatsammlung in Los Angeles an: „Daimler Motorkutsche und Benz Patentmotorwagen“ aus der Serie der „Warhol Cars“, die 1987 anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Autos im Auftrag von Daimler Benz entstand.

Das Warhol-Motto „Im Business gut zu sein, ist die faszinierendste Art von Kunst“ beflügelte vor vierzig Jahren junge Kunsthändler wie Rudolf Zwirner, Gründervater der Art Cologne und erster deutscher Vermittler der Pop-Art. Aus Anlass des Messejubiläums erhielt der heute in Berlin lebende Ex-Galerist den diesjährigen Art Cologne-Preis. Künstlerische Schulterschlüsse mit Kommerz und Industrie wurden dank Pop-Art nicht nur hoffähig, sondern geradezu zelebriert, wie Warhols Daimler-Benz-Hommage zeigt. Dass Kunst und Kommerz kein Widerspruch sein müssen, beweist auch Michael Schultz aus Berlin, der in Köln fast immer exzellente Verkäufe verbuchen kann. Großformate von Norbert Bisky (60 000 Euro) und Seo (50 000 Euro) waren bereits am ersten Messetag verkauft.

Insgesamt hat das Lifting – die Messe wurde um rund 80 Galerien verkleinert – der zuletzt arg bunt gemischten „Mutter aller Kunstmessen“ gutgetan. Sie ist merklich frischer geworden. Das ändert freilich noch nichts daran, dass sie auch wieder internationaler werden muss, wenn sie langfristig mit der Konkurrenz in Miami, Basel und London mithalten will.

Wie attraktiv das Rheinland mit seiner geballten Sammlerschaft für ausländische Galerien immer noch ist, zeigt eine für April 2007 angekündigte Messeneugründung im nahen Düsseldorf: Die düsseldorf contemporary (dc) mit Ehrfurcht gebietendem Beirat und Budget (Geldgeber ist Gruner + Jahr) ist strategisch knallhart exakt auf den neuen Frühjahrstermin der Art Cologne im April gelegt worden. Die kürzlich veröffentlichte Teilnehmerliste liest sich wie ein „Who’s who“ der Galeristenszene: Von Casey Kaplan (New York), Georg Kargl (Wien), Jocelyn Wolff (Paris), Mezzanin (Wien), Wilkinson (London), IBID Projects (London), Franco Noero (Turin) bis Zero (Mailand) reicht der illustre Reigen.

Die beiden Messeinitiatoren, Walter Gehlen und Andreas Lohaus, sind in Köln bestens bekannt. Sie veranstalten die Parallelmesse zur Art Cologne, die art.fair, eine gut gemachte, erfolgreiche Messe für das Preissegment um 5000 Euro. Mit Spannung wird erwartet, wie die führenden Kölner Galeristen auf den Düsseldorfer Messeneuling reagieren. Konkurrenz kann das Geschäft beleben. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass ein altes Spiel wieder auflebt – es heißt: Messekrieg im Rheinland. Als Zukunftssignal könnte gelesen werden, dass die Art Cologne im kommenden Jahr nach Mallorca expandiert. Die „Art Cologne Palma de Mallorca“ wird erstmals im September mit sechzig Galerien auf dem Flughafen in Palma starten. Ein Schelm, wer glaubt, die Messe wolle hier in Rente gehen.

Art Cologne, bis 5. November, Köln Messe, Messeplatz 1, täglich 10 – 20 Uhr, www.artcologne.de. Katalog 30 Euro.

Johanna Di Blasi

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