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Kultur: Zuhören und grübeln

Matthias Wittekindts Polizeiroman „Marmormänner“.

Alles schön in Fleurville – wäre da nicht diese alte Geschichte. Vier junge Männer verschwanden, damals vor vierzig Jahren. Und jetzt werden bei Bauarbeiten wieder mal Reste alter Kleidung gefunden. Schon ist das Ganze wieder Gegenwart, und wieder ist etwas von der Angst zu spüren, die einst die Bürger von Fleurville bedrückte, weil es schien, als habe sich ein Serienmörder in ihrem Kleinstadtidyll festgesetzt.

Matthias Wittekindts Roman „Marmormänner“ macht als Thriller genauso viel her wie als Polizeiroman – und ragt schon deshalb heraus aus dem üblichen, immer sadistischer werdenden Gemetzel in diesem Genre. Über das beschauliche Fleurville legt sich eine unheimliche Atmosphäre, wie man sie aus David-Lynch-Filmen kennt.

Etwas Vergangenes bannt die Menschen, auch die kleine Truppe der lokalen Polizei. Und lange sieht es so aus, als würde auch das unorthodoxe Ermittlerinnen-Team von Marie und Gabrielle nicht weiterkommen – bei allem Ehrgeiz, der die Spurenfachfrau und die Informatikerin ebenso verbindet wie ihre Schwierigkeiten mit den Männern.

Der Autor ist ein bunter Vogel. 1958 in Bonn geboren, arbeitete er nach dem Studium der Architektur und Religionsphilosophie in Berlin und London zunächst als Architekt, betätigte sich dann als Theaterregisseur und ist seit 2000 als freier Autor tätig, unter anderem von Radio-„Tatorten“ für den NDR. 2004 debütierte er als Romancier bei Eichborn Berlin mit „Sog“, 2011 verlegte er sich mit „Schneeschwestern“, der auch schon in Fleurville angesiedelt war, aufs Genre.

Wie Polizeiarbeit indes mal nicht zu tun hat mit hochkomplexem Profiling, sondern vor allem mit Gegrübel und Zuhören – das zeigt Wittekindt, indem er eine Polizeistation bei der Arbeit beobachtet, die aufs Interessanteste normal und begrenzt in ihren Fähigkeiten ist. Und doch ehrgeizig, wenn Gefühle angesprochen werden. Bald verdrängt ein neuer Fall, eine Entführung, den alten, ein geschiedener Vater, der durchdreht – auch im netten Fleurville ist die Kriminalität zumeist auf der Höhe der Zeit, bis hin zu den komplizierten Beziehungsgeschichten, mit denen die Ermittler ihre Freizeit verbringen. Grübeln, zuhören, noch mal hinsehen: beide Fälle hängen zusammen. Werner von Bebber

Matthias

Wittekindt:

Marmormänner.

Kriminalroman.

Nautilus Verlag,

Hamburg 2013.

288 Seiten, 16,90 €.

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