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Zukunft der Berliner Galerien: Endstation Museumspark

Ob New York oder Berlin: Der Markt für die Bildende Kunst wird immer mehr zum Spielball globaler Galeriekonzerne. Die Großen setzen auf Gängiges, den Kleinen geht die Luft aus – es fehlt an Solidarität und Mut zum Risiko.

Wie eine Filmkulisse ragt im Norden Duisburgs das alte Hüttenwerk in den Himmel. Wo einst Erz zu Eisen schmolz, krönt heute eine Besucherplattform den verrosteten Riesenofen, der nachts in Regenbogenfarben schillert. Die Duisburg Marketing GmbH hatte einen Lichtdesigner aus dem Musikgeschäft geholt, der das harte Geschäft der Eisenkocher mit „dynamischen Farbwechseln“ nachbildete. Was heiß und giftig war, glüht nun zum Schein. Aus Arbeit ist Design geworden – rund um die alten Zechen und Hochöfen herrscht die bunte, saubere Kreativindustrie.

Könnte es den Künstlern aber selbst eines Tages wie den Stahlkochern in Duisburg und Hattingen gehen? Mit einer Million Beschäftigten (2011) hat die Kreativwirtschaft fast die Autoindustrie eingeholt, wie die Bundesregierung begeistert betont. Dabei zeigt der Kunstmarkt, wie rapide sich auch die Kulturindustrie wandelt und die fromme Legende der freien Kunst durch immer spekulativere Geschäftsmodelle unterlaufen wird. Immer weiter öffnet sich die Umsatzschere zwischen einem kleinen Marktsegment mit immensen Preisen und Margen und dem klassischen Galeriegeschäft, in dem die meisten Künstler zu Hause sind.

Noah Horowitz, Direktor der New Yorker Kunstmesse Armory Show, vergleicht das Verhältnis des Millionenhandels der marktführenden Unternehmen zur althergebrachten Künstlergalerie mit der Kluft zwischen den Superreichen und den 99 Prozent der restlichen Bevölkerung. In New York schließen Galerien, nicht weil sie schlechte Künstler oder langweilige Werke angeboten hätten, sondern weil sperrige Künstlerideen kaum noch gewinnträchtig zu vermitteln sind.

Nicole Klagsbrun etwa war 30 Jahre lang eine feste Größe im heute 600 Betriebe umfassenden Galeriesystem New Yorks. Vor einigen Monaten hat sie aufgegeben. „Entweder du passt dich an, oder du bist raus“, klagte Klagsbrun dem Art Newspaper. Ein Geschäft, das Kunst, Künstler und Sammler entkoppelt und nur noch messetaugliche Formate erlaubt, wollte sie nicht mehr vertreten.

Das alarmiert nun sogar die Marktführer. David Zwirner, Zweiter in der globalen Rangfolge der Kunsthändler, fordert eine neue Solidarität der „Gemeinschaft“. Allerdings verriet er das ausgerechnet dem Investorenmagazin Spear’s, nachdem er in der 20th Street seine zweite New Yorker Dependance eröffnet hatte, die ausschließlich historischen Positionen und Nachlässen vorbehalten ist.

Die Galerie beschäftigt nicht aus Selbstlosigkeit immer mehr Kuratoren, produziert Kataloge und leistet sich Leihgaben aus führenden Museen. Der Markt verlangt abgesicherte Werte. Er misstraut der individualistisch organisierten Avantgarde. Sammler glauben nicht mehr daran, dass die hektischen Neuentdeckungen kleiner und mittlerer Galerien sich zu historischen Strömungen verdichten und setzen auf Sicherheit.

Unter 100 000 Euro etwa war zuletzt auf der Basler Messe kaum etwas zu verkaufen. Umgekehrt werden Galerieausstellungen immer aufwendiger; nur so, meinen die Kunsthändler, stiftet man Vertrauen in neue Arbeiten. Andererseits: Um auf großen Messen zugelassen zu werden, müssen die klassischen kleinen und mittelgroßen Galerien ein messerscharf avanciertes Programm produzieren, das den konservativen Kaufinteressen der vermögenden Messekundschaft kaum noch entspricht.

Man dient sich nach oben in dieser Branche, in der ein Klüngel von Platzhirschen den Zugang zu den Messen verwaltet. Innovative, sperrige Positionen wirken da wie hinderlicher Ballast, wenn am besten gleich an den ersten drei Messetagen der Jahresumsatz der Galerie gesichert werden soll. So wird der Handel mit junger Kunst immer weiter an den Rand gedrängt. Die Großen wie Zwirner oder der skandalumwehte Weltmarktführer Gagosian schöpfen ihre Erträge aus dem Sekundärhandel, also dem Wiederverkauf etablierter Namen.

Wer es sich leisten kann, dynamisiert den Prozess der Musealisierung weiter und eröffnet Tempel des Guten und Schönen auf eigene Rechnung – etwa die Großgalerie Hauser & Wirth, die 2014 in Sommerset und 2015 in Los Angeles zwei „kulturelle Zentren“ eröffnen will. Dort vorgesehen sind „präzise konzipierte historische Ausstellungen“, für deren Gewicht in Kalifornien der im Streit um Qualitätsmaßstäbe aus dem MOCA ausgeschiedene Kurator Paul Schimmel bürgen soll.

Wenn die Kleinen den Nachwuchs nicht mehr in den Köpfen der Sammler verankern können, die Museen aber nur noch auf die breite Masse schielen und auf kunsthistorische Distanz verzichten, investiert der private Markt eben selbst in Urteilsschärfe, um sein Preisniveau zu rechtfertigen. Anders als die kunstgeschichtlichen Akzente früherer öffentlicher Sammlungen bringt die neue Inhaltlichkeit den Jungen aber nichts mehr. Schon 2011 hat die Kritikerin Almuth Spiegler die Wiener Galerieszene deshalb mit einem Altersheim verglichen, in dem die aufblühende junge Kunst sich nicht mehr widerspiegle. Schritt für Schritt entmachtet die Herrschaft des Alten und Teuren die lokalen europäischen Kunstmärkte.

Auch Berlin verliert dabei weiter an Boden. Spektakulär waren die Schließungen der Galerien Giti Nourbakhsch und Ben Kaufman. Nun gibt auch noch der einstige Berliner Erfolgsstratege Martin Klosterfelde seine Ausstellungsräume auf. Nach 18 Jahren und 104 Ausstellungen ist Schluss. Sein Programm umfasste mit Hanne Darboven, Matt Mullican, Jorinde Voigt oder John Bock wichtige Namen. So sterben die mittelständischen Sammleradressen mit fester Bindung an programmatische Werte aus.

Die Schere zwischen saturierter Marktmacht oben und den leidenschaftlich erkämpften, schwer verkäuflichen Programmprofilen unten klafft hier so weit auseinander wie drüben in New York. Wenn ein Kleiner trotzdem mal auf eine Goldader stößt, lernt er den Unterschied zwischen künstlerischem Idealismus und globaler Spekulation schnell kennen. So erging es etwa der Berliner Galerie Aanant & Zoo, die 2009 die lange vergessene US-Grafikerin Channa Horwitz wiederentdeckte und begeistert auf den internationalen Kunstmarkt führte. Dank behutsamer Missionsarbeit war die Kalifornierin plötzlich im New Yorker New Museum und der Düsseldorfer Kunsthalle zu sehen und reüssierte zuletzt auf der Venedig-Biennale. Nur einem Berliner Idealistenbetrieb kann es passieren, dabei nicht an Verträge zu denken.

Als die Künstlerin nur vier Jahre nach Beginn ihrer späten Karriere verstarb, wurde das Berliner Modell rasch durch ein globaleres ersetzt. Die Erben und ihr kalifornischer Galerist setzten juristisch die Rückgabe der Werke durch, entzogen den beredten Missionaren das Vertretungsrecht und werden wohl bald zu Geld machen, was dem Markt gefällt: frische historische Markenware statt langsamer Vernetzung und Interpretation.

Doch wie unbesiegbar ist der spekulative, allein nach oben orientierte Markt wirklich? Die kleinen und mittelgroßen Galerien in Berlin sind längst eine Art Schwarmmuseum. Vielleicht sollten sie mit ihren Sammlern Stipendien für eine unabhängige Marktkritik ausschreiben, vielleicht auch das gelangweilte Museumspublikum mit Sänften in ihre Schauräume tragen. In jedem Fall ist es Zeit, sich nicht länger vom Mainstreamzwang der Großen hypnotisieren zu lassen und sich stattdessen endlich wieder für unabhängige Sammlungen zu engagieren. Sonst wird Berlin – auch ohne farbige Beleuchtung wie in Duisburg – zu einem leblosen Designkunstlandschaftspark.

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