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Kultur: Zukunftsweisendes Geschenk

Dieses Abschiedsgeschenk wird in Erinnerung bleiben.Messiaens Turangalîla-Symphonie, mit der Michael Sch²nwandt seine Chefdirigentenzeit beim Berliner Sinfonie-Orchester grandios ausklingen ließ, ist ein Freudenhymnus zwischen Ewigkeit und Vergänglichkeit.

Dieses Abschiedsgeschenk wird in Erinnerung bleiben.Messiaens Turangalîla-Symphonie, mit der Michael Sch²nwandt seine Chefdirigentenzeit beim Berliner Sinfonie-Orchester grandios ausklingen ließ, ist ein Freudenhymnus zwischen Ewigkeit und Vergänglichkeit.Die Sanskrit-Worte im Titel meinen die davoneilende Zeit, Spiel und Schöpfung.In sechs Jahren, einer für Chefdirigenten eher kurzen Periode, hat der Däne für die Weiterexistenz seines Orchesters Wesentliches geleistet und dessen Repertoirespektrum bedeutend erweitert.

Klischeebilder vom kühlen, verschlossenen Skandinavier passen nicht zu Michael Sch²nwandt.Zu den Merkmalen seines Musizierens gehören Offenheit, überströmende Wärme und Großzügigkeit.Werke von Dvo¬ràk, Strauss, Elgar und nicht zuletzt seines Landsmanns Carl Nielsen besitzen für ihn deshalb hohen Stellenwert.In Messiaens Riesensymphonie kulminiert diese sinnliche Sicht- und Hörweise.In seinem Auftragswerk für das Boston Symphony Orchestra (ebenfalls ein BSO!) durfte der Komponist 1948 aus dem Vollen schöpfen.Für die zehn Sätze seiner 429 Seiten umfassenden Partitur forderte er eine Riesenbesetzung.

Eine Turangalîla-Symphonie spielt man nicht alle Tage.Für das BSO war sie in jedem Sinne neu, ungewohnt, zukunftsweisend.Transparenz hieß die Devise, mit der sich Schonwandt von jeder Dicklichkeit absetzte.Die fremdartigen Mixturen der Einleitung ließ er mit der gleichen bestechenden Präzision ausmusizieren wie später die glitzernde Einstimmigkeit von Klavier und Celesta.Auch beim heiklen Stakkato-Unisono von Piccoloflöte, Fagott und Holzblock im Zweiten Liebesgesang brauchten sich die Musiker des BSO hinter den Philharmonikern, die das Monumentalwerk 1992 an gleicher Stelle spielten, nicht zu verstecken.

Obwohl damals sogar Jeanne Loriod die Ondes Martinots bediente, gelang nun ihrem Schüler Jacques Tchamkerten beim weitgeschwungenen Liebesthema eine noch homogenere Verschmelzung mit dem Orchesterklang.Die geschmeidigen Glissandi dieses elektronischen Tasteninstruments wurden an Subtilität vom Soloklavier noch übertroffen.In fabelhafter Abstimmung mit dem hellen, formklaren Interpretationskonzept machte Peter Donohoe Farbe und Rhythmus zu den Hauptelementen seiner Darstellung.Der Brite unterstützte die Konturierung kontrastierender Abschnitte und betupfte dann im "Garten des Liebesschlummers", dem geschliffensten Klangjuwel des Abends, den Streicherteppich mit Punkten, Arabesken und Glockentönen.

Die ausgefeilte Wiedergabe dieses selten gespielten Werkes war ein gemeinsames Geschenk von Dirigent und Orchester an das über Jahre treue Publikum.Beide Seiten bewiesen, zu welcher Spitzenleistung sie bei motivierter Zusammenarbeit fähig sind.In die Annalen des Orchesters wie des Berliner Musiklebens hat Michael Sch²nwandt sich damit eingetragen.Da er für einzelne Konzerte wiederkehren wird, schloß ein schwungvoller Walzer in Moll ("Abschied an mein Berliner Publikum") des Dänen Hans Christian Lumbye den Reigen von Dankreden und Blumen.

ALBRECHT DÜMLING

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