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Annie Leibovitz.

© dpa/ Andy Rain

Zum 70. Geburtstag von Annie Leibovitz: Bei ihr fühlt sich die Hollywood-Prominenz ins rechte Licht gesetzt

Erfolg und Ruin, Ruhm und Blut: Annie Leibovitz ist eine der erfolgreichsten Fotografinnen der Welt. Privat ging es nicht immer für sie glatt.

Wer konnte schon ahnen, dass John Lennon nur wenige Stunden, nachdem sie ihn nackt an Yoko Ono geschmiegt fotografiert hatte, auf der Straße erschossen würde? Annie Leibovitz wurde mit dem Bild berühmt. Noch heute fotografiert sie Cover für die Zeitschrift Vogue.

Dort zeigt die Star-Fotografin des letzten Jahrtausends ihre Modelle überhöht, manchmal nackt und mächtig inszeniert. Und immer zu deren Besten: Whoopi Goldberg in einer Badewanne voll Milch. Die schwangere Demi Moore nur in ihrer Haut. Der Queen schlug sie vor, die Krone abzunehmen – das ist für sie quasi nackt. Riesige Abzüge kann man von diesen Bildern machen, weil auch alle Details durchkomponiert sind.

Seit den 70er Jahren ist Leibovitz immer dort, wo sich Macht und Einfluss konzentriert. Wenn sie jemanden fotografiert, weiß man nicht, wer wen damit ehrt, so prominent sind beide Seiten. Sie hat alle Präsidenten seit Nixon in Szene gesetzt, und kein Artikel vergisst zu erwähnen, dass sie nicht nur die berühmteste, sondern auch eine der bestbezahlten Fotografinnen der Welt sei. Annie Leibovitz hat Teil am sagenhaften Leben der Superreichen. Die Concorde war geschaffen für Menschen wie ihre Klientel.

Dass ihre Kunden sie so lieben, hat mit Leibovitz’ Bildsprache zu tun. Hollywood überhöht sich zwar ohnehin gerne selbst. Nun, Leibovitz kann das noch besser. Denn sie nutzt ihre Nähe nie zur Demaskierung, sondern immer zur Inszenierung. Nachdem Leibovitz jemanden aus der Nähe fotografiert hat, wirkt derjenige noch unnahbarer. Und das sogar dann, wenn er oder sie nackt ist.

Die Foto-Künstlerin war schon als Kind unterwegs auf wechselnden Armeestützpunkten, an die ihr Vater und damit die Familie versetzt wurde. Später reiste sie für ihre Aufträge: auf Tour mit den Rolling Stones für Vogue und Vanity Fair.

15 Jahre langte lebte sie mit Susan Sontag zusammen

Leibovitz verkörpert in diesen Jahren die Fotografie. 15 Jahre lang ist sie mit Susan Sontag zusammen, die über Fotografie philosophiert. Über die Verbindung zu der Intellektuellen wundern sich viele. Die eine macht Abzüge, die andere sich Gedanken. Sontag ermutigt Leibovitz, auch Bilder vom echten Leben zu machen. Mit ihr fährt sie 1993 nach Sarajevo, als dort die Menschen sterben. Doch die blutigen Reportagefotografien sind es nicht, die von ihr bleiben werden.

Im Gegensatz zur Makellosigkeit ihrer bekanntesten Bilder hält Leibovitz’ privates Leben existentielle Erschütterungen für sie bereit, nach denen sie sich jahrelang wieder sammeln muss. Von der Tour mit den Rolling Stones kehrt die Fotografin kokainsüchtig zurück. Mit 51 Jahren bekommt sie ihre erste Tochter von einem unbekannten Samenspender, das verändert ihre Weltwahrnehmung. Sie fotografiert Susan Sontag in ihren letzten Wochen und Monaten, bevor sie 2004 an Krebs stirbt. Eine Leihmutter trägt ihre Zwillinge aus. Vor zehn Jahren wackelt schließlich die gesamte Existenz. Ihre finanzielle Pleite ist genauso vollkommen wie ihr Erfolg: Leibovitz hat geprasst und wild Immobilien gekauft. Um die Schulden in Millionenhöhe begleichen zu können, muss beinahe auch ihr Lebenswerk daran glauben: ihr Archiv und die Rechte an allen Werken aus der Vergangenheit inklusive derer, die noch entstehen. Leibovitz wirkte hilflos, sagenhaft blauäugig und muss von einer Kapitalgesellschaft gerettet werden.

Opulente Aufträge und private Bilder - für Leibovitz ist beides eins

Ihre opulenten Auftragsarbeiten und ihre beiläufigen Familienfotos, sagte sie heute, seien eins. Schließlich sei es ja ein Leben, das sie führe. Sie veröffentlichte deshalb auch Bilder von Geburtstagsfeiern mit ihren Eltern. Da steht ihre Mutter an ihrem 75. Geburtstag selbstvergessen im Badeanzug in der Küche am Herd. Es gibt Krankenhausbilder von ihrem alten Vater, Susan Sontag, die auf einem Sofa fläzt, und blutige Bilder aus dem Kreißsaal, als ihre Zwillinge geboren werden. Viele der privaten Bilder könnte man nie groß aufziehen, manche sind sogar unscharf. Vielleicht deshalb, weil Inszenierungen perfekt sein können, die Unschärfen im echten Leben aber sogar für Leibovitz am Ende noch interessanter sind.

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