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Kultur: Zum 80. Geburtstag des Schauspielers und Regisseurs Bernhard Wicki

Krankheiten haben ihn seit langem böse gebeutelt. Zuletzt hat ihn ein Schlaganfall aus geplanten Arbeiten gerissen.

Krankheiten haben ihn seit langem böse gebeutelt. Zuletzt hat ihn ein Schlaganfall aus geplanten Arbeiten gerissen. Und doch hat man Bernhard Wicki, der heute 80 wird, als einen gewaltigen Brocken, als einen Klotz von einem Mann vor Augen, ein Kraftwerk, ein Energiebündel, ein stets zur Eruption bereiter Vulkan. Immer wenn man ihn bei der Arbeit, bei der Vorbereitung seiner Arbeit, bei Diskussionen um seine Arbeit traf, imponierte einem die Kraft, die er beherrschte, die ihn beherrschte. Explosiv war er, impulsiv, auch jäh und jähzornig. Eine Kämpfernatur, eine Kriegernatur - für die Sache. Wenn er kämpfte, fühlte er sich als Riese unter Zwergen - zu Recht.

Aber das ist nur die eine Seite der Sache, Wicki ist, um es mit dem Begriff seines Landsmannes (Wicki ist ein in Österreich geborener Schweizer, der meist in München lebte) Nestroy zu sagen, ein Zerrissener, ist es immer gewesen. Neben der Kraft stand die Sensibilität, die Empfindlichkeit, ja Wehleidigkeit. Der Berserker war dünnhäutig, wie es Künstler sein müssen und Überlebenskünstler nicht sein dürfen. Er hat eine wunderbar sanfte Stimme, mit dem weichen Timbre des Süddeutschen. Sieht man Bilder des jungen Wicky, erinnert man sich an Filme, in denen er gespielt hat ("Effi Briest", "Monpti", "Die Züricher Verlobung" mit Liselotte Pulver), dann weiß man, dass er zum Filmliebling der Fünfziger Jahre hätte werden können - ein Star wie O. W. Fischer, wie Ivan Desry.

Sein Werdegang war dementsprechend, auf Schloß Cumberland in Gmunden lernte der Zögling zusammen mit den jüngsten Söhnen des Herzogs von Braunschweig. Doch dann war er Mitglied der Kommunistischen Jugend und arbeitete in der Jugendmalklasse des Dessauer Bauhauses gegen die Nazis. Er landete für zehn Monate im KZ Sachsenhausen. Und so ist Wicki eben nicht der fesche Held der schmalen deutschen Traumfabrik der fünfziger Jahre mit ihren kitschigen Weltfluchtträumen (Arzt, Offizier, Oberförster) geworden, sondern der Schauspieler in Käutners "Die letzte Brücke" wo er einen Partisanenführer spielte und der Regisseur der "Brücke" (1959) - ein Film, der eine Sensation an Aufrichtigkeit war, in seinem schonungslosen und doch poetischen Realismus an Rossellini geschult, ein Film über das Verheizen von jungen Menschen für die Chimäre des Heldentums.

"Die Brücke" ist ein großer Film, ein Film, der zeigt, dass die Fünfziger Jahre auch in Deutschland nicht nur flach und eingeebnet waren, dass es Risse gab, Verstörungen, Aufbrüche von Wahrheit, von künstlerischer Wahrheit. Dieser Wahrheit ist Wicky erstaunlich treu geblieben, auch um den Preis des Scheiterns. Er hat in Hollywood gedreht, mit der großartigen Ingrid Bergmann den "Besuch der alten Dame"; er hatte in Antonionis unvergesslichem Film "La notte" einen todkranken Schriftsteller gespielt, bei Fassbinder, Handke, Geissendörfer (beeindruckend in der "Gläsernen Zelle"). Und er hatte Filme, Fensehfilme geschaffen, so - für das Fernsehen - eine der eindrucksvollsten Joseph-Roth-Verfilmungen, "Das falsche Gewicht" mit Helmut Qualtingers in seiner vielleicht grandiosesten Rolle.

Der letzte Film, den ich erinnere, war das "Spinnennetz", vor gut zehn Jahren, ein Film der für den "Oscar" nominiert war und der den Deutschen Filmpreis bekam: ein peinigend genaues Bild eines Mitläufers, der zum Schuldigen in der Nazi-Maschinerie wird. Und was Wicki mit Schauspielern erarbeiten konnte, zeigte hier der junge Ulrich Mühe. Ein Gesicht, mit dem Wickis Film das Schicksal einer Epoche zeigen konnte.

Bernhard Wicki, kein Zweifel, ist einer der ganz Großen des deutschen Films, aus einer Zeit, als man vom deutschen Film nicht viel erwartete.

Hellmuth Karasek

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