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Schalk im Blick. Dustin Hoffman, seit einigen Jahren auch Regisseur.

© AFP/Rivas

Zum 80. Geburtstag von Dustin Hoffman: König der Komödianten

So virtuos wie wahr – und kaum glaublich: Der Hollywoodstar Dustin Hoffman wird an diesem Dienstag 80 Jahre alt.

Er hat schon einmal dazu beigetragen, einen US-Präsidenten zu stürzen. Natürlich hat Dustin Hoffman das nur im Kino getan, 1976 als Reporter Carl Bernstein an der Seite von Robert Redford, der Bernsteins Kollegen Bob Woodward spielte. Aber die Geschichte von Alan Pakulas Polit- und Pressethrillers „All the President’s Men“ war wahr, die beiden Reporter der „Washington Post“ (deutscher Filmtitel: „Die Unbestechlichen“) hatten vier Jahre zuvor ja den Watergate-Skandal um Richard Nixon aufgedeckt.

Keine Fake News. Und seit Donald Trumps Amtsantritt hat die „Washington Post“ ebenso wie die „New York Times“ ihren Reporterstab mächtig aufgerüstet, nicht zuletzt in Erinnerung an die mitunter historische Bedeutung journalistischer Recherche. Geradezu historisch war freilich auch Dustin Hoffmans eigener Start in die Film-Geschichte.

Es ist jetzt exakt 50 Jahre her, als der nur 1,68 Meter große schwarzhaarige Junge mit der selbst unter aller Schauspielerschminke nie so ganz reinen Haut im Gesicht einen gerade einundzwanzigjährigen Collegestudenten spielte, der in Mike Nichols’ „Reifeprüfung“ immer wieder im Bett einer kalifornischen Hausfrau, Ehefrau und Mutter landete. Trotz Hippies und Poprevolte glich das im Jahr 1967 noch einem Skandal: die Verführung eines Jungen, eines beinahe Minderjährigen (namens Benjamin) durch jene in jeder Hinsicht reifere Mrs. Robinson.

Typisch Hoffman: das Gemisch aus Scheu und Chuzpe, Scham und Charme

Anne Bancroft, wie Dustin Hoffman, für einen Oscar nominiert, gewann immerhin einen Golden Globe für ihre kühn empfundene Rolle, doch die Sensation war der bis dahin weitgehend unbekannte Hoffman. Er war damals schon ein Jahrzehnt älter als sein in der Liebe und im Leben gänzlich unerfahrener Collegeboy. Aber das Gemisch aus Scheu und Chuzpe, Scham und Charme in Hoffmans Spiel wirkte in besonderer Weise authentisch. So virtuos wie wahr. Und mit seinem enormen komödiantischen Talent, auch hin ins Tragische oder cool kontrolliert Melodramatische, ist er ein Verwandlungskünstler.

Hoffman spielt, ob großes Kind oder kleinen Greis, jede Lebensvariante. Das sieht man gleich nach der „Reifeprüfung“ in seinen Titelrollen als „Midnight Cowboy“ oder in Arthur Penns Westernepos „Little Big Man“ (1970), in dem er eine Spanne von 17 bis 120 Jahren verkörpert. Mal ist er der New Yorker Großstadtnomade, mal der weiße Indianer oder indianische Weiße, der tolle Transvestit in „Tootsie“ oder der geniale Autist in „Rainman“, für den er, nach dem Scheidungsdrama „Kramer gegen Kramer“, 1989 seinen zweiten Oscar gewinnt.

Dustin Hoffman: Leben und Kunst bestehen auch aus Fehlern

Immer wirkt da seine Intensität. Nicht die Gestalt, seine Mimik ist es. Der Blick des Schalks, wenn er mit seinem leichten Vorderbiss zudem die Lippen spöttisch ironisch schürzt. Oder die plötzlich verdunkelten Augen, in denen auch Klugheit und Trauer nisten – vielleicht gar seine „jüdische Seele“, die er, ein frommer Atheist, mit zunehmendem Alter und seit der Heirat mit seiner zweiten Frau Lisa Gottsegen, mit der er vier Kinder hat, mehr kultiviert als zu seinen Anfängen.

Tatsächlich hat Hoffman nach seinen ersten Erfolgen, wie er mir bei einem Gespräch in Berlin erzählte, einige frühe Angebote von Woody Allen abgelehnt. So in Allens wohl schönstem Film „Hannah und ihre Schwestern“. Das sei ein Fehler gewesen. Doch er sagt: „Leben und Kunst bestehen auch aus Fehlern. Wir stellen uns auf die Zehenspitzen, sind zu klein, um ein Licht an der Decke zu erreichen, aber manchmal berühren wir das Ziel ganz kurz, mit den Fingerspitzen, und das Licht geht an, für einen Moment.“

Unvergessen: Robert Redford und Dustin Hoffman (r.) in "Die Unbestechlichen" - als die beiden Journalisten, die mit der Enthüllung des Watergate-Skandals Richard Nixon stürzen.
Unvergessen: Robert Redford und Dustin Hoffman (r.) in "Die Unbestechlichen" - als die beiden Journalisten, die mit der Enthüllung des Watergate-Skandals Richard Nixon stürzen.

© picture-alliance / obs

Dustin Hoffman zitiert dann auch Samuel Beckett, den berühmten Satz vom „besser scheitern“. Einst sollte er „Warten auf Godot“ spielen, war mit Beckett in dessen Pariser Stammcafé verabredet, ist eine Stunde draußen herumgeschlichen und nicht hineingegangen. „Ich war zu scheu.“ Auch habe er Rollen bei Fellini und Ingmar Bergman abgesagt.

So explosiv und präsent im Spiel, so diskret und von selbstbewusster Bescheidenheit ist er im Leben. Als er, der vom Theater zum Film kam, im Frühjahr 1989 in London auf einer Westend-Bühne Shakespeares Shylock spielte, kamen sie alle zur Premiere: von Placido Domingo bis Joan Collins, von Harold Pinter bis zu Paul und Linda McCartney. Sie kamen nur wegen Hoffman, die Produktion war für Wochen vorab ausverkauft. Doch der mit Millionen-Gagen bedachte Hollywoodstar spielte für 2000 Pfund die Woche und versteckte seinen Namen wider alle Broadway- und Westend-Gepflogenheiten in alphabetischer Reihenfolge inmitten des Ensembles. Gespielt hat er in einer biederen Inszenierung dennoch spitze: ein bitterer Mann, wissend von der Geschichte seines Volks, die virile Stimme manchmal fast bellend, ein einsamer Wolf, umzingelt von (christlichen) Hunden.

Sein Regiedebüt gab Dustin Hoffman mit 75

Am Broadway und dann in Volker Schlöndorffs Verfilmung hat er zur Wiederentdeckung von Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ beigetragen und als Willy Loman den amerikanischen Traum zu Ende geträumt. Und selbst in einer Nebenrolle in Tom Tykwers Verfilmung des Süskind-„Parfüms“ war er im Trüben das schillernde Licht. Als 75-Jähriger hat er, fast Weltrekord, dann noch sein Debüt als Filmregisseur gegeben, in der Alters-Komödie „Quartett“. Jetzt wird er, schier unglaublich, schon 80. Man muss ihn feiern.

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