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Kultur: Zum Frühstück Knäckebrot

Christian Schröder

verblassenden Dunstkreis des Diktators

Das Letzte, was aus dem Führerbunker jetzt noch zu hören ist, ist ein schlesischer Singsang mit stark gerolltem R. Die Stimme mit dem Vertriebenen-Akzent gehört Rochus Misch, Hitlers Leibwächter. Man kennt sie aus dem Fernsehen, aus Dokumentationen über das Kriegsende und den Filmen von Guido Knopp, in denen der SS-Veteran über seine Jahre im Dunstkreis des Diktators berichtet. Er war für die Telefonanlage zuständig, kannte Hitlers Essgewohnheiten („zum Frühstück Knäckebrot, zwei Scheiben Butter und ein bisschen Honig“) und war dabei, als seine Leiche aus dem Bunker geschafft wurde: „Sie hatten ihn eingepackt in graue Pferdedecken. Nur seine schwarzen Halbschuhe guckten noch raus.“ Misch ist inzwischen 89, in Interviews nennt er Hitler manchmal „Chef“. Als Zeitzeuge steht er sozusagen bis heute in seinen Diensten.

Hitler, „der böse Mann mit dem kleinen Bart“ (Jan Delay), ist nicht totzukriegen. Er lebt weiter als ultimative Gruselfigur der Popkultur, in Büchern, Songs und Filmen. Nur seine Entourage verlässt nach und nach die Bühne. In München ist jetzt Baron Bernd Freytag von Loringhoven gestorben, der als Heeresadjutant zum inner circle des Führerbunkers gehörte. Die Sekretärin Traudl Junge, auf deren Erinnerungen der Film „Der Untergang“ beruhte, starb 2002, die Krankenschwester Erna Flegel letztes Jahr. Rochus Misch ist nun, wie die „New York Times“ in einem Nachruf auf Loringhoven schreibt, „der einzige lebende Veteran der letzten Tage im Bunker“.

In den Erzählungen seiner Gefährten wirkt Hitler erstaunlich banal: ein Tortenfreund, der mit seinen weiblichen Angestellten flirtete (so Traudl Junge) und in melancholischer Stimmung „versunken am Tisch saß und wunderschöne Musik“ hörte (Rochus Misch). Das Monster als Gemütsmensch: eine erschreckende Vorstellung.

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