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Kultur: Zum Glück entschlossen

Rembrandt und van Gogh aus Privatbesitz – Maastrichts Tefaf bleibt die Messe der Kostbarkeiten

Man kennt ihn als melancholischen, cholerischen, von Liebessehnsucht und Höllenpein geplagten Existentialisten. Doch in den letzten Wochen vor seinem Selbstmord scheint Vincent van Gogh zum Glück entschlossen gewesen zu sein.

Van Goghs Gemälde „L'Enfant à l'Orange“, Ende Juni 1890 entstanden, ist ein gemaltes Ja zum Leben. 92 Jahre lang gehörte es zur Sammlung Hahnloser in Winterthur. Nun hat sich die Schweizer Familie zum Verkauf des nicht allzu großen Kinderbildnisses entschlossen – um eine Jugend- und Bildungsorganisation zu fördern. Und wo verkauft man, Auktionsrekorde hin oder her, einen van Gogh stilvoller und diskreter als in Maastricht?

The European Fine Art Fair, unter dem Kürzel Tefaf bekannt, gilt als die Königin der Kunst- und Antiquitätenmessen. Dank van Gogh hat die 21. Tefaf-Ausgabe eines ihrer Emblembilder gefunden. „L'Enfant à l'Orange“, das war Raoul Levert, der damals knapp zweijährige Sohn eines Handwerkers aus Auvers-sur-Oise. Nun begrüßt er mit rotwangiger Unschuldsmiene Jäger und Sammler aus aller Welt. Am Stand von Dickinson (New York/London) soll das Gemälde über 30 Millionen Dollar einspielen.

Nicht nur die Preise auf der Tefaf sind einschüchternd. Mehr noch ist es das Angebot. Für zehn Tage verwandelt sich das Messezentrum der niederländischen Stadt in ein Museum der Weltkunst von der Antike bis in die Gegenwart. Diesmal mit 227 internationalen Ausstellern. Welches Publikum man hier avisiert, wird schon aus der kurzen Pressemitteilung deutlich: Die Zahl der gelandeten Privatjets auf dem Regionalflughafen sei 2007 im Vergleich zum Vorjahr um 45 Prozent gestiegen. So macht es auch gar nichts, dass der Besucherandrang leicht rückläufig war. Im Gegenteil, die Messeleitung hatte es so beabsichtigt, durch eine kräftige Erhöhung der Eintrittspreise. Die Tefaf tickt anders.

Moden sind Maastrichts Sache nicht, und so punktet selbst die bis zur Contemporary Art verlängerte Moderne-Sektion mit wertstabilen Klassikern. Die New Yorker Acquavella Galleries rahmen Lucian Freuds 2007 beendeten Monumentalakt „Ria, Naked Portrait“ (15 Millionen Dollar) mit Picasso und Miro. Hauser & Wirth (Zürich/London), die im letzten Jahr ihren Tefaf-Einstand gaben, setzen mit atelierfrischen „Pietas“ von Berlinde De Bruyckere (je 180 000 Euro) und einer ebenfalls 2007 entstandenen Großskulptur Louise Bourgeois (1.8 Mill. Dollar) mehr auf Kontraste.

In Maastricht wird nicht nur Kunst verkauft, sondern ein Lebensstil. Und der orientiert sich noch immer an der Pracht hochadliger Interieurs. Exemplarisch für den klassischen Antiquitätenhandel steht als Neuzugang das Pariser Traditionsunternehmen Kraemer, das bislang auf Messen verzichtet hatte. Prunkstück dort ist eine märchenschöne Mahagoni-Kommode von Etienne Levasseur, gefertigt um 1784 für die Mesdames de France, die Töchter von Louis XV. Bei J. Kugel (Paris) imponiert eine drei Meter hohe Pariser Prunkuhr mit figürlichen Grazien aus teilvergoldeter Bronze, die König Karl IV. von Spanien in Auftrag gegeben hat. Wie seine Pariser Kollegen präsentiert auch Albrecht Neuhaus aus Würzburg seine erlesenen Skulpturen und Möbel – darunter ein klassizistischer Schrank, um 1780, in vorbildlichem Erhaltungszustand (240 000 Euro) – auf einem Messestand, den er zum Salon umgestalten ließ: mit Holzvertäfelungen, die Piat-Joseph Sauvage um 1775 für ein Pariser Hotel entwarf.

Das Gegenteil solcher Schlossästhetik vertreten Händler wie Georg Laue und Sascha Mehringer aus München mit ihrem Gemeinschaftsstand – und sprechen im spannungsvoll-eleganten Crossover jüngere Sammler an. Mehringers Hauptstücke sind die Modelle zweier später Kirchenbauten des österreichischen Bildhauers Fritz Wotruba sowie eine um 1380 im Donaugebiet entstandene Madonna aus Kalkstein. Laue, auf Kunstkammerobjekte spezialisiert, zeigt eine auch wissenschaftlich bearbeitete Gruppe von über 40 Mini-Kabinettschränken und Kästchen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert (zwischen 20 000 und 600 000 Euro).

Um die Messe maßvoll zu verjüngen, hat Tefaf-Chairman Ben Janssens erstmals sieben Förderkojen für Kunsthändler durchgesetzt, die noch nicht länger als zehn Jahre tätig sein dürfen. Robert Winter (Kioto) arrangiert auf seinen geschätzten acht Quadratmetern zwei schwarz lackierte, japanische Rüstungen des späten 18. Jahrhunderts. Emanuel von Baeyer (London) zeigt eine Mini- Ausstellung über den Pariser Kunsthändler und Grafikverleger Ambroise Vollard. Gedränge auch am Stand von Otto Jakob aus Karlsruhe. Der Juwelier kreiert modernen Schmuck aus dem Geist von Renaissance und Barock.

Glücksgefühle rufen, wie stets in Maastricht, die Alten Meister hervor. Moretti stellt eine Goldgrundtafel des Florentiner Giotto-Schülers Taddeo Gaddi aus. Die Darstellung des Heiligen Antonius als Abt (1,5 Mill. Euro) war zuletzt 1928 in Berlin versteigert worden und seither in einer deutschen Privatsammlung. Bei Richard Green (London) leuchtet eine eher mittelgroße Winterlandschaft von Pieter Brueghel d. J. (2,5 Mill. Pfund), und die Weiss Gallery (London) bietet einen kraftvoll leidenden Heiligen Sebastian von Anthony van Dyck, gemalt für König Philip IV. von Spanien, für 6,5 Millionen Euro an.

Den Überraschungscoup landete allerdings Maastrichts Traditionshaus Noortman, das seit 2006 zu Sotheby’s gehört. Neben einer makellos eleganten Gartenszene Monets (12 Mill. Dollar) zelebriert man eines von zwei Selbstbildnissen Rembrandts in Privatbesitz (18 Mill. Euro). Für das 1632 in Leiden entstandene Kleinformat hat sich Rembrandt als junger Aufsteiger in Positur gesetzt. Richtig glücklich schaut er nicht aus.

Maastricht, bis 16.3., www.tefaf.com

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