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Zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt: Besser die Zunge im Wein baden

Autoren, die scheu in alle Richtungen schauen, loses Geplapper und belegte Schnittchen. Peter Wawerzinek war in Klagenfurt und hat den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb beobachtet.

Zur Eröffnung bin ich gerade noch rechtzeitig angekommen. Ach, all die bekannten Gesichter. Man ist schon eine eingespielte Familie. Die knisternde Spannung im Saal aber ist echt, wenn es zur Sache geht, jeder Teilnehmer nach vorne schreiten und in den Kasten mit den Losen greifen muss. Wer möchte schon der erste Lesende sein und Gefahr laufen, bis zum Tag der Preisverleihung längst vergessen zu sein? Wer möchte zum Schluss lesen, wenn sie sich längst auf ihre Favoriten festgelegt haben?

Verunsichert blicken sie drein, die mit den ersten, die mit den letzten Nummern. Und so sieht man mich während der Prozedur im ORF-Fernsehgarten bei Regen die Arme in Kanzlerinmanier angewinkelt erhoben. Ich drücke ihnen die Daumen, weil es so gegen die Regel wäre, dass Roman Marchel (Erster), Kerstin Preiwuß (Nr.2), Tex Rubinowitz (Nr. 12) oder Georg Petz (Letzter) trotz ihrer ungünstig erscheinenden Platzierung am Ende doch vordere Plätze belegen, gar den Sieger stellen. Und still sage ich ihre Namen vor mich her, ehe dann zum Büfett gebeten wird. Mancher isst energisch und sagt, früher sei das Büfett üppiger ausgefallen.

Nun ja, mir reichen die Happen hin. Wurstsalat, Huhn, belegte Schnitten, warmes Gulasch, Kuchen, Obst. Und dazu Wein, Bier, Wasser. Karsten Krampitz (Ex-Stadtschreiber von Klagenfurt) moniert, dass es schon im dritten Jahr keine Shrimps mehr gibt. Die Rede dieses Jahr ging nur um die Autorin, die von Windpocken befallen daheim blieb, unter Quarantäne.

Besser keine kesse Zunge wagen

Ich sitze bei meinem Klagenfurter Verleger Achim Zechner. Um uns Jurymitglieder, Agenten, Presseleute. Und Autoren, die scheu in alle Richtungen schauen. So ein Wettlesen ist nicht einfach zu meistern. Am gefährlichsten sind die gemütlichen Momente. Über den Tischen steht eine dunkle Wolke, die aus losem Geplapper besteht. Einzelne Jurymitgliedern sind einem angenehm, andere nur suspekt. Niemand weiß, wie da wer mit wem in freundschaftlicher Verbindung steht. Freunde wie Pech und Popel, die zusammenhalten und dann ihre Daumen nach oben strecken oder nach unten senken.

Man behüte sich hier. Man stopfe den Mund sich besser mit den Happen voll und nicke nur noch artig. Besser die Zunge in Wein baden als eine kesse Zunge wagen. Besser die Lippen unterkühlen als sie sich zu verbrennen. Besser unergründlich sein, sich vor der eigenen Lesung nicht allzu persönlich geben. Und mehr als gut ist beraten, wer den Vierzeiler der großen Dichterin Friederike Kempner als oberste Verhaltensregel im Ohr als Ohrwurm hat: „In die Wolken möcht’ ich fliegen. / In die Sonne möcht’ ich sehen! / Jedes Vorurteil besiegen / Und als Sieger vor euch stehen.“

Peter Wawerzinek lebt als Schriftsteller in Berlin. 2010 gewann er mit „Rabenliebe“ den Ingeborg-Bachmann-Preis. Zuletzt ist von ihm im Galiani Verlag der Roman „Schluckspecht“ erschienen. In diesem Jahr schreibt er hier Glossen aus Klagenfurt.

Peter Wawerzinek

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