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Stotternde Gedichte. Gregor Laschen bewahrte in seinen Werken stets einen Rest Dunkelheit.

© Rüdiger Buhl/Wikipedia

Zum Tod des Dichters: Gregor Laschen, der Sprachmagier

Er promovierte über Lyrik in der DDR - und wurde selbst ein bedeutender Dichter der Gegenwart. Zum Tod des großen Poeten Gregor Laschen.

Seit seinen literarischen Anfängen hat der Dichter Gregor Laschen die „Wanderung der Steine“ beobachtet, ihre Naturgeschichte und ihre Metamorphosen. Steine waren für ihn nicht nur die primäre Erscheinung sinnlicher Materie, sondern auch Talismane, die vor Übeln aller Art bewahren konnten. Die Grenze von Land und Meer, vor allem die „Jammerbugt“ am äußersten Nordzipfel Dänemarks, war dabei sein poetischer Navigationspunkt, an dem er seinen Horchposten errichtete.

Als er vor einigen Jahren an Krebs erkrankte, verschickte er, selbst schon schwer gezeichnet, einen seiner Lieblingssteine an einen Freund, der dem Krebstod gerade entronnen war. Der „Engel der Steine“ ist ein zentrales Motiv bereits in seinem 1983 erschienenen Debütband „Die andere Geschichte der Wolken“, mit dem sich der 1941 in Ueckermünde in Vorpommern geborene Autor auf Anhieb als einer der bedeutendsten Exponenten der sprachmagischen Dichtungstradition profilierte. Laschen hatte 1970 mit einer bahnbrechenden Arbeit über die Gegenwartslyrik der DDR promoviert und arbeitete ab 1972 drei Jahrzehnte lang als Hochschullehrer für Neue Deutsche Literatur in Utrecht. 1988 erfand er mit der Reihe „Poesie der Nachbarn“ im Künstlerhaus im pfälzischen Edenkoben das erste europäische Poesie-Übersetzungsprojekt, das bald für ähnliche Unternehmungen zum Vorbild wurde.

Er entwickelte starke Metaphern für die Kraft der Dichtkunst

Seine eigene Dichtkunst, die ihren Gipfelpunkt im Band „Jammerbugt-Notate“ erreichte, für den er 1996 mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet wurde, hält mit großer Emphase an einem Wahrheitsanspruch fest. Sie berührt die tragischen Dispositionen unserer Existenz und zeigt die Dinge in einer „fremden Nähe“. Diese einsamen Gedichte gehen nicht den Weg der kommunikativen Ansprache, sie sprechen in dunkel-elegischen Konfigurationen, die Anklänge herstellen zu wahlverwandten Dichtern wie Erich Arendt oder Ernst Meister – oder zum späten Hölderlin. Von diesen großen Vorbildern hatte Laschen gelernt, dass ein Gedicht nur dann Eindringlichkeit entwickeln kann, wenn es einen Rest von Dunkelheit bewahrt. Gegen die allzu anschmiegsamen Verse vieler Kollegen setzte er im Blick auf Hölderlin seine Utopie des „stotternden Gedichts“: „Splitternde Sprache, Sprechen, das sich nach vorn legt / in den eigenen Schatten.“

Der Glaube an das poetische Energiefeld der Sprachmagie ist auch in dem herausragenden Gedicht „Sprachrohr (>Revolte<)“ lebendig, das Laschen als leidenschaftlichen Gegengesang konzipierte gegen die Sprache der Macht. Seine große poetische Vision von der „Menschenhöhe im Eis“, die „brennt“ und von den „hellen Flügeln des Denkens“ - das waren starke Metaphern für die verändernde Kraft der Dichtkunst: „Es steht/eine kleine Menschenhöhe in der beschlagenen/Sprache und brennt.“

Seit dem Erscheinen seines letzten Bandes „Die Leuchttürme tun was sie können“ (2004) lebte Gregor Laschen zurückgezogen in seinem Haus in Bremen. Am vergangenen Samstag ist er im Alter von 77 Jahren in einem Pflegeheim gestorben.

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