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Franz Stadler vor dem Filmkunst 66 kurz vor seinem 66. Geburtstag 2006. Zum Jubiläum zeigte er seine Lieblingsfilme.

© Doris Spiekermann-Klaas

Zum Tod des Kinomachers Franz Stadler: Der melancholische Pionier

Fast 40 Jahre lang betrieb er das Filmkunst 66 in der Berliner Bleibtreustraße. Nun ist der stille, zähe Programmkino-Leiter Franz Stadler mit 76 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Er war ein Stiller, ein Zäher. Mit liebevoller Sturheit ging er seiner Leidenschaft nach, spielte sich nie in den Vordergrund und gehörte doch zu den Großen in der Berliner Kinoszene: Franz Stadler, Mr. Filmkunst 66, Programmkinomacher seit den siebziger Jahren, ist tot. Er starb am Sonntag in Berlin nach längerer Krankheit, er wurde 76 Jahre alt.

Das Filmkunst 66 in der Charlottenburger Bleibtreustraße erwarb er 1971 für 80.000 Mark und führte es bis 2010, gemeinsam mit seiner Frau Rosemarie. Ein Pionier der Off-Kinokultur – wenn Pionier nicht irgendwie falsch klänge bei einem, den man vor allem mit Cordhose, Strickjacke und immersanfter Stimme kannte. Urgestein passt besser. Dinosaurier hat er sich selber genannt.

Abgesehen von einem halbjährlichen, Finanzengpass-bedingten Intermezzo als Theaterleiter auf Sylt war Franz Stadler eigentlich immer da und hat sich um die Filmkultur in Berlin verdient gemacht wie nur wenige andere. Er stellte eine umsichtige Mischung von Autorenfilmen und Genrekino zusammen, Woody Allen und die Marx Brothers, Western und Wohlfühlfilme wie „Brot und Tulpen“, Trash und Komödien wie „Alles auf Zucker“, auch Selbstentdecktes wie „L.A. Confidential“ – auf Letzteres war er besonders stolz.

Das Filmkunst 66: ein Kiezkino, Heimstatt für Cineasten

Als er das weit über die Nachbarschaft hinaus beliebte Kiezkino nach der kurzen Krise Mitte der Neunziger ein zweites Mal kaufte, war er erst recht präsent in "seinem" Charlottenburg: als sanfter Kino-Patriarch hinter der Theke des kleinen, feinen Traditionshauses mit seinen zwei Sälen, als Kartenverkäufer, Filmvorführer, Putzmann, Geschäftsführer und Programmmacher in Personalunion. Nein, im Doppel natürlich, mit Gattin Rosemarie. Kino ist Leben, rund um die Uhr – sie wohnten nur ein Haus weiter. Das Filmkunst 66 erinnerte einen immer daran, dass Kino ein Zuhause sein kann, eine Heimat auf Zeit.

Preisgekrönt: Rosemarie und Franz Stadler mit ihrer Berlinale-Kamera 2011.
Preisgekrönt: Rosemarie und Franz Stadler mit ihrer Berlinale-Kamera 2011.

© Jörg Carstensen/dpa

Stadler hasste Popcorn, liebte sein Stammpublikum, pflegte Kontakte zu Berliner Regisseuren wie Tom Tykwer, erzählte gern von seinen frühen Genre-Festivals, vom Besucherrekord beim legendären Donald-Duck-Festival 1984 und von Jack Nicholsons Besuch einer Mitternachtsvorstellung in den Siebzigern. In guten Zeiten begrüßten die Stadlers um die 80.000 Besucher pro Jahr; von Flauten in WM-Sommern ließen sie sich nicht entmutigen. 2010 verkauften sie das Filmkunst, längst eine Institution in der Stadt, an die Produzentin Regina Ziegler. Da war Stadler 70, da war es eben doch mal genug.

"High Noon", damit fing es an, als Franz Stadler 14 war

1940 in Essen geboren, hatte Franz Stadler sein cineastisches Erweckungserlebnis mit 14, wie er dem Tagesspiegel einmal erzählte. Als Fan von Abenteuerfilmen und Western sah er sonntagsmittags im Kino „High Noon“. Der schlug ein wie der Blitz, wegen der Action und der Filmkunst. Stadler lernte Filmkaufmann, arbeitete in Duisburg, Münster und im Bellevue am Berliner Hansaplatz, dort ist heute das Grips-Theater zuhause. Der Rest ist Berliner Theatergeschichte, preisgekrönt mit dem Bundesverdienstkreuz, der Spitzenprämie als „Bestes Programmkino“ und der Berlinale-Kamera - in dieser Reihenfolge.

Nach dem Weggang aus Berlin schrieb Stadler seine Kino-Erlebnisse auf

„Immer wenn das Licht ausgeht“ heißt Franz Stadlers Sammlung von „66 Berliner Kinogeschichten“, die er 2012 veröffentlichte, als er mit Rosemarie zu den Kindern nach Langenberg im Kreis Gütersloh gezogen war, auch wenn es sie immer wieder nach Berlin zog. Die besten Stories und Begegnungen aus seinem Filmleben zwischen zwei Buchdeckeln: Wenn Stadler erzählte, schwang immer Melancholie mit. Jene Wehmut, die dem Kino selber innewohnt, wenn man genau hinschaut. Die Nachricht von seinem Tod lässt sie einen noch stärker spüren.

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