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Literaturnobelpreisträger Dario Fo

© AFP / Tiziana Fabi

Zum Tod von Dario Fo: Italienisch für Aufreger

Er hat gezeigt, dass politisches Theater auch Spaß machen kann: Der große Komiker und Dramatiker Dario Fo. Dafür bekam er 1997 den Literaturnobelpreis.

Das war zum Schluss noch einmal eine dicke Pointe. Alle Welt schaut nach Stockholm, in Erwartung des Literaturnobelpreisträgers 2016. Doch bevor die ominöse Tür sich öffnet und der Akademiesekretär mit der Nachricht heraustritt, macht am Donnerstag eine andere Nachricht die Runde. Dario Fo ist tot. Im Alter von 90 Jahren ist der Nobelpreisträger des Jahres 1997 in einem Mailänder Krankenhaus gestorben. Finita la commedia. Ende der göttlichen Komödie. Als der italienische Dramatiker, Schauspieler und Regisseur vor bald zwei Jahrzehnten die noble Auszeichnung zugesprochen bekam, gab es Ärger.

Es war unterhaltsam, wie immer bei Fo. Zum einen fanden allzu feine Geister, dass sein Werk zu schmal sei, nicht wirklich Literatur. Und zum anderen war da die grobe Unhöflichkeit des Nobel-Kommitees, das Franca Rame vergessen hatte. Rame und Fo waren 50 Jahre lang Liebes- und Bühnenpartner, was man sich, ihrem autobiografischen Erfolgsstück „Offene Zweierbeziehung“ nach zu urteilen, als turbulente Mischung aus Ehekrieg, Partnerwechseln und ewigen Flitterwochen vorstellt.

Dario Fo und France Rame haben sich mit allen Machthabern angelegt

Gemeinsam schrieben sie „Nur Kinder, Küche, Kirche“, aber man darf Rames Anteil auch bei anderen Fo-Klassikern wie „Bezahlt wird nicht“ und „Zufälliger Tod eines Anarchisten“ nicht unterschätzen. In den siebziger und achtziger Jahren wurden diese Farcen überall aufgeführt. Sie wurden sprichwörtlich. Fos und Rames Popularität vor allem auch im deutschsprachigen Raum war gewaltig. Mit solchen Komikern machte es Spaß, ein Linker zu sein und linkes Theater zu erleben, es war eine Befreiung vom grauen Bertolt Brecht und den strengen politischen Stücken eines Peter Weiss oder Rolf Hochhuth. Bei Dario Fo und Franca Rame begeisterte der Begriff Volkstheater, der hierzulande mit Namen wie Ohnesorg und Millowitsch und jugendfreier Unterhaltung besetzt war.

Dario Fo und Franca Rame haben sich mit allen angelegt, die in Italien das Leben bestimmen. Es gab das Berlusconi-Italien, und es gab das Dario-Fo-Italien. Die katholische Kirche, die Mafia, die Staatsmedien der RAI, der italienische Parteiensumpf, die korrupte Justiz – da wurde draufgehauen, vorgeführt, verarscht mit der Kraft der alten commedia dell'arte. Rame und Fo mussten häufig vor Gericht auftreten, Fo hatte im italienischen Fernsehen Auftrittsverbot, er erlebte etliche juristische Sanktionen, wurde von der Bühne weg verhaftet. Zweimal verweigerten die USA Rame und Fo die Einreise, wegen ihrer Verbindung zu linken Organisationen.

Kritik und Provokation war sein Programm

Sie hatten ihren Spaß an der Provokation. Nicht viele Theatermacher erfahren von Staat und Kirche solche Aufmerksamkeit. Gleichzeitig beweist der Erfolg der Fo-Truppe, dass Italien gesellschaftlich nie ganz kaputt war. Im Russland Putins, in Erdogans Türkei haben Künstler und Intellektuelle kaum eine Chance, dauerhaft eine kritisches Programm zu entfalten.

Dario Fo mit seiner Ehefrau Franca Rame
Dario Fo mit seiner Ehefrau Franca Rame 2008 im spanischen Cordoba.

© picture alliance / dpa

In den Achtzigern spielte Dario Fo das Attentat nach, das der türkische Rechtsextremist Ali Agca auf Papst Johannes Paul II. verübt hatte. Die Tat geschah in Rom, im Mai 1981. Dario Fo stand bei seiner Performance allein auf der Bühne. Unvergesslich der Soloauftritt damals im alten Tempodrom am Potsdamer Platz. Der riesige Mann stellte zugleich die Menge auf dem Petersplatz dar, den Verbrecher und das Opfer. Er machte Witze über den jungen Mann mit terroristischem Tunnelblick, aber auch über die Rituale des Vatikans und das päpstliche Getue und Gepränge. Heilig war ihm nichts. Zuletzt hat er sich für Beppe Grillos Bürgerpartei Cinque Stelle engagiert. Heute kommt einem das seltsam vor. Das Theater hat im Allgemeinen seine Schlagfähigkeit und -fertigkeit eingebüßt. Aber die Zeiten sind auch komplexer, man gibt sich nicht mehr mit einfachen Lösungen zufrieden, auch wenn die Feinde der Demokratie und Freiheit überall aus der Deckung kommen und ohne Scham auftrumpfen.

Ein gut gelaunter Genussmensch

In Dario Fos und Franca Rames Stücken steckt das Exemplarische, das großes Theater ausmacht. In „Zufälliger Tod eines Anarchisten“ stürzt – ein wahrer Fall aus dem Jahr – ein Mann, der als Bombenattentäter verdächtigt wird, beim Verhör aus dem Fenster. Der Selbstmord des jungen terrorverdächtigen Syrers Jaber Albakr im Leipziger Gefängnis könnte eine merkwürdige Parallele sein.
Als linker Theatermann ist Dario Fo aber nicht ausreichend charakterisiert. Wer ihn erlebt hat, der traf einen Genussmenschen, einen gut gelaunten, fröhlichen Patriarchen. Er stammte aus dem Norden Italiens, hatte das Glück, bei einem theaterbegeisterten Vater und Großvater aufzuwachsen, und studierte in Mailand erst einmal Kunst und Architektur, trat aber bald als respektloser Geschichtenerzähler in Radio und Fernsehen auf. Zum Theater brachte ihn Franca Rame. Sie starb vor ihm, im Mai 2013.

Eine kleine Szene zur Erinnerung an Dario Fo: Anfang 2015, im sizilianischen Taormina. Fo war im Winter gern im warmen Süden, er hat mit bald 90 Jahren auch noch im berühmten Teatro Greco von Taormina gespielt, mit dem Ätna im Hintergrund. Die Kellner flitzen wie in einem Stück der commedia dell'arte, umschwärmen den Maestro. Wer mit ihm spricht, gehört dann gleich zur Entourage. Allein sah man ihn eigentlich nie, immer en famille. Die zufällige Begegnung mit dem anarchistischen Komiker an einem strahlend hellen Januartag – Dario Fo trug eine flotte Mütze und einen lachsfarbenen Schal, ein zartes Rot immerhin – war ein Geschenk der Theatergötter. An andere glaubte er eher nicht. Bezahlt wurde dann aber doch.

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