zum Hauptinhalt

Zum Tod von Florian Karsch: Der wahre Liebhaber

Über 60 Jahre hinweg baute Florian Karsch die Galerie Nierendorf wieder zu einer Institution auf dem Berliner Kunstmarkt aus.

Er war ein Doyen der Berliner Galeristen, ein Sensibler, dem die Pflege der Klassischen Moderne, aber auch nachfolgender, figurativer Künstler am Herzen lag. Nach dem Krieg gründete Florian Karsch zusammen mit seiner Mutter Meta die traditionsreiche Galerie Nierendorf neu und verschaffte ihr wieder internationale Anerkennung. Meta Karsch hatte nach ihrer Scheidung von dem Bildhauer Joachim Karsch den bedeutenden Berliner Galeristen Josef Nierendorf geheiratet, der zusammen mit seinem Bruder Karl die Geschäfte führte. Deren Kunsthandlung war während des Dritten Reiches geschlossen, der Bestand der New Yorker Dependance nach dem Tod von Karl Nierendorf konfisziert worden.

Dass Karsch das Erbe der Brüder Nierendorf antreten würde, entsprach zunächst nicht seinen Plänen, hatte er doch Zoologie studiert und über Gottesanbeterinnen promoviert. Verheiratet mit der Malerin Inge Loewe spürte Karsch bald, dass sein Interesse an der Kunst doch überwog. Mit den Resten aus dem Galerienachlass begannen er und seine Mutter 1955 in Tempelhof wieder von vorne. 1963 zog das Unternehmen in die Hardenbergstraße. Die Galerie nahm sich vor allem jener Künstler an, die schon von den Nierendorfs vertreten wurden: Ernst Barlach, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Lyonel Feininger, vor allem George Grosz und Otto Dix. Das Gespann aus Mutter und Sohn verhalf gerade den Künstlern wieder zu Ansehen, die von den Nazis verfolgt worden waren. 1972 legte Karsch das Werkverzeichnis der Grafik von Otto Dix vor, mit dem er befreundet war, zwei Jahre später veröffentlichte er das Werkverzeichnis von Otto Mueller. Dessen Blätter hatte er über die Jahre beinahe vollständig gesammelt. Zwischen 2003 und 2011 folgte die dreibändige Bestandsaufnahme des Schaffens seines 1945 verstorbenen Vaters Joachim Karsch.

Im Laufe der Zeit entwickelte sich Florian Karsch zum begehrten Experten, der stets als Gutachter angefragt wurde, wenn Fälschungen aufzuspüren waren. Für Aufsehen sorgte 1975 der Fall Mrugalla, bei dem unter anderem gefälschte Grafik von Otto Mueller auf den Markt gelangt war. Die Unterlagen zu Karschs kunstkriminalistischen Aktivitäten füllen 28 Ordner. Obwohl Galerist, hielt er von einer Wertschätzung der Kunst mittels Marktpreisen wenig. Man müsse unterscheiden zwischen Kunst- und Marktwert, sagte er einmal: „Ich kann nur hoffen, dass der interessierte Liebhaber erkennt, was ein wichtiger Künstler und was ein Ideenhandwerker ist.“ Mit 90 Jahren ist Florian Karsch am 2. Oktober verstorben.

Jens Grandt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false