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Umrahmt von schwarzgekleideten "Richtern" tröstet Theobald Friedenborn (Horst Mendroch) das "Käthchen von Heilbronn".

© dpa

Zum Tod von Horst Mendroch: Schauspieler der allerersten Linie

Horst Mendroch ist in einem Berliner Krankenhaus gestorben. Er war ein Schauspieler erster Klasse und Jürgen Grosch der Regisseur seines Lebens. Ein Nachruf von Jürgen Flimm.

Das war so einer. Ohne solche wie ihn könnten die Theater nie den Lappen aufziehen, würden jämmerlich versiegen: Horst Mendroch, der große Kollege und fröhliche Freund, ein Schauspieler der allerersten Linie ist tot. Der Sensenmann hält bittere Ernte in diesem Jahr.

Geboren wurde er 1942 im oberschlesischen Skotschau, ausgebildet in Bochum, dann nach Hannover, von dort zog er mit Gleichgesinnten nach Zürich an den Neumarkt, unter Anleitung des Horst Zankl, einem Wunderkind aus Wien. Ein legendäres Nudelbrett: Ensemblefahne flatterte! Mitbestimmung! Schaubühne! Und Horst mittenmang, er kümmerte sich sogar um die Buchhaltung. Ein paar Jahre später kam er zu uns nach Köln ans Schauspiel.

Dort traf er auf den wohl wichtigsten Regisseur seines Lebens: Jürgen Gosch! Diesen hatte ich aus Ost-Berlin an den Rhein gelockt. Mendroch gehörte bald zu Gosch wie der Dom zu Köln, er hat 17 (!) Mal mit Gosch gearbeitet. Wie einem Tschechow-Stück entsprungen, hielt er die unfassbare Pingeligkeit der Gesten, Pausen und Töne des Oberexerzitienmeisters Gosch stoisch aus und den Laden des Maestros zusammen. Als Klempner Kleschtsch im „Nachtasyl“ in der abbruchreifen Stollwerck-Fabrik, Goschs schönste Aufführung, oder als Chorführer im genialen „Ödipus“ von Gosch und seinem Bühnenbildner Axel Manthey. Als Philinte hockte er mit Hans Christian Rudolph auf Mantheys endloser „Menschenfeind“-Treppe. Eine traurige Veranstaltung, zum Schreien komisch. Nebenbei verliebte er sich in die frohe, zauberhafte Kollegin Petra Redinger.

Durch die Bleibtreustraße zum Abendbierchen

Becketts Pozzo war er, und Shakespeares Puck und Zettel und viel mehr, Gosch grinste bei den Besetzungsgesprächen schon, wenn er sagte: und Horst! In Köln und Hamburg stets. Als die Hamburger Thalia-Tage gezählt waren, wanderte er über Bochum nach Düsseldorf, dort blieb er für lange Zeit bei Volker Canaris. Und begegnete einer jungen Regisseurin, die fortan sein Fixstern wurde: Karin Beier, er stützte sie, wo er gefordert war, und förderte. Aber auch Gosch kam wieder, machte „Macbeth“ voller Blut und kalter Glut, Horst war dabei, was sonst. Als Shylock, als Puntila, als der Alte in Ionescos „Stühlen“ - mit Petra spielte er sich ins Zentrum des Düsseldorfer Schauspiels.

Bald quittierte er den Dienst und zog mit seiner lieben Frau nach Charlottenburg, lebte in guter Nachbarschaft mit alten Thalia-Freunden. Man sah ihn oft, wie er durch die Bleibtreustraße zum Abendbierchen schlenderte. Dann engagierte ihn der kluge Thorsten Lensing für den „Kirschgarten“ als Carlotta, er traf junge Kollegen wie Devid Striesow und Ursina Lardi, er war willkommen in Berlin.

Horst Mendroch starb unverhofft

Am vergangenen Montag ist Horst Mendroch in einem Berliner Krankenhaus an einer Lappalie gestorben. Unverhofft, wohl ein Versehen. Die Staatsanwaltschaft wird ihn uns nicht wiedergeben können; eine traurige böse Geschichte für die Ärzte, für uns Theaterleute. Zuletzt spielte er bei Thorsten Lensing in den Sophiensälen Dostojewskis „Karamasow“ und hatte die herzzerreißenden Sätze zu sagen:

„Papa, wenn mein Grab zugeschüttet ist, musst du Brotkrümel daraufstreuen, damit die Spatzen herbeifliegen und ich hören kann, dass sie gekommen sind, und dann ist es lustig für mich, dass ich nicht ganz allein liege.“

Das tun wir, Horst, zumindest das! Gute Reise!

Der Autor, Intendant der Berliner Staatsoper Unter den Linden, leitete von 1979 bis 1985 das Schauspiel Köln und von 1985 bis 2000 das Thalia Theater Hamburg – Bühnen, an denen Mendroch spielte.

Jürgen Flimm

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