zum Hauptinhalt
John le Carré ist in Cornwall, im Südwesten Englands, gestorben.

© Matt Crssick /dpa

Zum Tod von John le Carré: Der Spion, der nach Berlin kam

Erinnerungen an John le Carré: Zur Mauerstadt hatte der britische Autor eine ganz spezielle Beziehung.

Die Mauer? „Ein schmutziges, hässliches Ding aus Betonblöcken und Stacheldraht, das im Schein des trüben gelben Lichts wie die Kulisse eines Konzentrationslagers wirkte. Östlich und westlich der Mauer lag ein Gebiet, das nicht wieder aufgebaut worden war, eine Welt der Zerstörung, doppelt in Mitleidenschaft gezogen, eine Kriegslandschaft.“ Berlin eben, Anfang der sechziger Jahre.

Genau genommen ein „Kontrollpunkt“ der Alliierten, so heißt auch das erste Kapitel von John le Carrés berühmtem Roman „Der Spion, der aus der Kälte kam“. Ein britischer Agentenring in der DDR ist aufgeflogen, Alec Leamas, Leiter der Berliner Sektion des MI6, erwartet auf westlicher Seite den letzten Überlebenden, der sich irgendwie durchmogeln will. Er wird es nicht schaffen, ein Schicksal, das zuletzt auch Leamas ereilt.

John le Carré war selbst Augenzeuge des Mauerbaus im August 1961. Er hatte gesehen, „wie russischer Stacheldraht über den Checkpoint Charlie entrollt wurde“, und Tage später, „wie die Mauer Betonblock um Betonblock hochgezogen wurde“ – ein Beobachter schon von Berufs wegen, war er doch selbst zeitweise Mitarbeiter des MI6. Der ideale Mann also, um mit den ultimativen Roman des Kalten Krieges zu schreiben, dessen Titel zum geflügelten Wort werden sollte.

„Der Spion, der aus der Kälte kam“ wurde geradezu zum Synonym für den globalen Konflikt der beiden Blöcke, mit Berlin, der Hauptstadt der Spione, als ihrem Zentrum. Der Stadt also, in der die Geschichte um den scheinbaren, in die DDR entsandten Überläufer Leamas beginnt, in der sie endet und die im Werk von le Carré ein fester, wiederholt in den Mittelpunkt gerückter Topos werden sollte.

In Berlin hatte John le Carré seinen Durchbruch als Autor

Der Autor lernte sie früh kennen, besuchte auf Drängen seines geflohenen jüdischen Deutschlehrers 1949 das kriegszerstörte Land und die alte Reichshauptstadt, lag dort, an Mumps erkrankt, „hundeelend auf einer alten Wehrmachtsmatratze in einem deutschen Notlazarett in einem Berliner U-Bahnhof“, wie er in seinem autobiografischen Band „Der Taubentunnel“ schreibt.

Eine erste unselige Begegnung mit der Stadt, die ihm vier Jahre später den Durchbruch als Autor bringen sollte. Noch war er aber nicht zu der für ihn typischen, den realen Rahmen seiner fiktiven Geschichten gründlich recherchierenden Arbeitsweise gelangt, blieb der Roman bei allem authentischen Lokalkolorit doch oft im Vagen.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

So ist schwer zu sagen, wo sich der erwähnte Kontrollpunkt denn nun befunden haben mag. „So ungefähr“, antwortet auch der Fahrer des Fluchtwagens, als Leamas sich nach seinem letzten Weg durch Ost-Berlin, vorbei am Brandenburger Tor, nach vagen Hinweisen auf Greifswalder und Bernauer Straße, zuletzt in Pankow wähnt. Dem Nachwuchsromancier standen noch nicht die Möglichkeiten des Bestsellerautors zur Verfügung, wie er sie später einsetzen konnte.

Carré besuchte Erich Mielkes ehemaligen Dienstsitz

Im Werk le Carrés gehört „Der Spion, der aus der Kälte kam“ zu den George-Smiley-Romanen, benannt nach einem leitenden Agenten des MI6. In „Agent in eigener Sache“, 1979 erschienen, gelingt es Smiley, seinen sowjetischen Gegenspieler Karla als Überläufer zu gewinnen, der nun über die Oberbaumbrücke nach West-Berlin gelangt. Auch in „Das Vermächtnis der Spione“, 2017 erschienen, wird Berlin wieder zum zentralen Handlungsort, greift die in der Gegenwart wie in der Vergangenheit des Kalten Krieges spielende Geschichte die mit dem Tod von Alec Leamas scheinbar beendete Agentenstory noch einmal auf, erzählt sie fort und schließt sie ab.

[Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Karla sei über die Glienicker Brücke nach West-Berlin gelangt, was fälschlicherweise aus einem autobiografischen Text hervorgeht. Tatsächlich war es die Oberbaumbrücke. Wir haben die Passage korrigiert.]

Le Carré war zur Vorbereitung im Januar 2017 für drei Tage in Berlin, hatte die Dokumentarfilmerin Anke Ertner schon vorher gründlich recherchieren lassen, besichtigte das Gebäude in der Fasanenstraße 28, das der Stasi tatsächlich als „sicheres Haus“ des britischen Geheimdienstes gegolten hatte.

Und er besuchte Erich Mielkes ehemaligen Dienstsitz in der Normannenstraße, einen der Handlungsorte, tätschelte den Kopf der Marx-Büste, die das Zentralkomitee der SED Milke zum 70. Geburtstag geschenkt hatte. Sollte der Roman je verfilmt werden, dies wäre sicher einer der Drehorte.

Viele von John le Carrés Büchern sind verfilmt worden, zuerst 1965 „Der Spion, der aus der Kälte kam“, mit Richard Burton als Alec Leamas. Allerdings, die Filmmauer, an der er den Tod fand, stand in Dublin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false