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Klaus Harpprecht bei der Verleihung des Theodor-Wolff-Preises 2011 in Bonn.

© Henning Kaiser/ dpa

Zum Tod von Klaus Harpprecht: Zupackender Geist, glänzender Stilist

Er schrieb die Reden für Willy Brandt und schärfte das politische und intellektuelle Profil der Nation: zum Tod des Journalisten und Schriftstellers Klaus Harpprecht. Ein Nachruf.

In seiner Biografie steckte ein gutes Stück der intellektuellen Geschichte der Bundesrepublik. Klaus Harpprecht, der in der vergangenen Nacht in seiner französischen Wahlheimat La Croix-Valmer im Alter von 89 Jahren gestorben ist, hat alle ihre Phasen miterlebt und sie in dem Maße, in dem das einem Journalisten möglich ist, auch mitgestaltet. Sein Leben war exemplarisch für eine wichtige Wegstrecke der deutschen Nachkriegsgeschichte, jedenfalls bis in die 70er und 80er Jahre. Harpprecht, 1927 als Pfarrerssohn in Nürtingen geboren, gehörte zu jener Generation, die noch in den Krieg ziehen musste, und die dann mit jener Stunde Null, die es in Wahrheit nicht gegeben hat, in ein engagiertes Leben starteten.

Da war, in seinem Fall, keine Zeit für die Universität, so als könne er es nicht erwarten. Aber Bildung war diesem Mann, der sich in der deutschen, französischen und amerikanischen Geisteswelt zu Hause fühlte, ohnedies aus den unergründlichen Falten des deutschen Pfarrhauses - in seiner verschärften, nämlich schwäbischen Form – zugefallen.

Klaus Harpprecht wurde zu einem Star der frühen Medienrepublik

In den 50er und 60er Jahren wurde er zu einem der Sterne am Medienhimmel der Republik, zunächst als Zeitungsjournalist bei „Christ und Welt“ in Stuttgart, damals eine der führenden Wochenzeitungen, dann beim Rundfunk, dem Leitmedium der frühen Bundesrepublik, dann beim Fernsehen, das seinen Siegeszug gerade begann, als erster ZDF-Korrespondent in Amerika. Es folgten Posten als Leiter des S.Fischer Verlages, Chefredakteur des „Monats“, dem führenden intellektuellen Organ der Nachkriegsära und von „Geo“.
Aber zur wichtigsten Gestalt für Harpprecht wurde Willy Brandt, dessen Redenschreiber und Vertrauter er werden sollte. Die Wendung aus der Nachkriegserschütterung in die Politik haben damals viele aus dieser Generation praktiziert, aber keiner tat es so sehr wie Harpprecht. Dabei hatte er durchaus einverständlich mit der Adenauer-Ära gelebt. Aber der Weg an die Seite der charismatischen Gestalt Willy Brandt war dennoch kein Bruch, sondern die Konsequenz des Um- und Neudenkens, das einen guten Teil von Harpprechts Generation erfasst hatte, ihre Suche nach der Auflösung der Rätsel, die ihre schlimme Geschichte den Deutschen aufgegeben hatte

Harpprecht schrieb mit großer Lust an der Wahrnehmung

Aus dieser Anstrengung, eine politische wie intellektuelle, ergab sich für die Bundesrepublik in den 60er und 70er Jahren ein politisch-intellektuelles Profil – historisch aufgeklärt, republikanisch, weltoffen –, das vielleicht für ihre produktivste Phase steht. Mit alledem war Harpprecht eine bedeutende intellektuelle Instanz in der Bundesrepublik, auch wenn er seit über 40 Jahren in Frankreich lebte, ohne Amt, ohne feste Anstellung, als freier Autor. Aber das war ihm wohl angemessener: denn er war vor allem ein Schreiber mit nicht zu bremsender Lust am Darstellen, an der Wahrnehmung, am Ausdruck, auch am Bewundern und der Polemik.

Seinen Niederschlag fand das in einer Fülle von Artikeln, Essays und Büchern. Wobei der essayistische Ton wohl seine eigentliche Leidenschaft bildet – allemal brillant, witzig und treffsicher, und dabei stets mit dem großen Atem des Autors, der auf die markanten Linien von Charakter und Epoche zielt. Einfacher ausgedrückt: Harpprecht war ein glänzender Stilist und ein zupackender Geist, ein eleganter Erzähler und ein unvertwechselbarer, unersetzbarer kritischer Kopf.

Harpprechts Lebensmotiv: die Erfahrung und das Lob der Freiheit

Vor zwei Jahren schloss er seine Erinnerungen ab, die, so kokett war er allemal, keine Autobiografie sein sollten. Sie waren es natürlich doch, ein überquellendes Buch, in dem Harpprecht gewiss sein Zeitalter besichtigte, aber nicht weniger sich selbst und die Wendungen seines Lebens. Es bezeugte nochmals in beklemmender Weise das Gewicht, mit der das Kriegserlebnis auf seiner Generation lastete. Aber es ließ auch Lebenswillen und Lebensfreude spüren, die – worauf er beharrte – eine der Grunderrungenschaften der Deutschen in ihrer Nachkriegswelt waren.
Und es intonierte nochmals mit Hingabe sein Lebensmotiv: die Erfahrung und den Lobpreis der Freiheit, mit deren Erkundung er begann, als er 1945 „in einer viel zu großen und arg schäbigen Uniform an brennenden Dörfern vorbeischritt, die er nicht retten konnte und auch nicht zu verteidigen gedachte“. „Viele Grüße an die Freiheit“ hieß eine Aufsatzsammlung des jungen Harpprecht, der Freiheit durchaus als Person verstanden wissen wollte: „Hin und wieder grüßt sie zurück“. Man darf sagen: Im langen Leben von Klaus Harpprecht hat die Freiheit ihn vielfach zurückgegrüßt.

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