zum Hauptinhalt
Michael Ballhaus, fotografiert am 05.02.2016 in Berlin. Er galt als einer der besten Kameramänner der Welt.

© dpa

Zum Tod von Michael Ballhaus: Das Leben im Auge

Gentleman, Weltbürger, Meister des Blicks: Ein Nachruf auf den Berliner Kameramann Michael Ballhaus.

Er hatte diese Güte im Blick. Dazu eine leichte Ironie, Aufmerksamkeit, Noblesse. Und diese sanfte Stimme. Michael Ballhaus, Deutschlands bedeutendster Kameramann, einer der wichtigsten weltweit, dieser Berliner Filmkünstler und Kosmopolit, der ein Vierteljahrhundert in Hollywood zubrachte, der mit Fassbinder, Scorsese, Schlöndorff, Coppola, Petersen und anderen Größen arbeitete, während er in Zehlendorf, Los Angeles und New York zuhause war und seine Preise kaum noch zählen konnte (zuletzt der Berlinale-Ehrenbär 2016), dieser Mann sagte zeitlebens: „Mein Beruf ist ein dienender“. Er sagte auch: „Jeder Mensch hat das Recht, so schön auszusehen, wie es geht“.

Man fühlte sich wohl in seiner Nähe, beschämt fast ob seiner Bescheidenheit. Wahrscheinlich haben die Schauspieler ihn deshalb geliebt. Er hat ihnen mit seinem Blick geschmeichelt, sie konnten sich sicher fühlen. Wobei das Kunststück des Michael Ballhaus darin bestand, dass er die Schönheit nie der Wahrheit opferte, auch wenn sie gnadenlos war. So war es bei der 360-Grad-Schienenfahrt, die seine berühmteste wurde, in Fassbinders „Martha“, 1973. Ballhaus umkreist Margit Carstensen und Karlheinz Böhm, die bei der ersten Begegnung einander ihrerseits umkreisen, eine sich bereits zuziehende Schlinge, ein Bannfluch fürs Leben: Diese Liebe wird ein Verhängnis, eine Hölle der Hörigkeit.

Ein Meister des Lichts

So war es bei der noch erotischeren Rundumfahrt in „Die fabelhaften Baker Boys“ (1989), mit Michelle Pfeiffer im lasziven roten Kleid auf dem spiegelschwarzen Flügel, an dem Jeff Bridges sie begleitet. Auch dieses Glück, verrät die minimale Verlangsamung der Fahrt, ist eine Chimäre. Und auch die dreiminütige Nonstoptour mit der Steadycam, hinter Ray Liotta hinein in den Nachtclub in Scorseses „Good Fellas“ (1990), verrät mehr als die Meisterschaft des director of photography. Wie ein Fisch im Wasser bewegt sich der Gangsterboss hier, ein Machtmensch in seinem Revier, Aber auch einer, der beschattet wird, unentwegt.

Ballhaus war ein Meister des Lichts, der sorgfältigen Komposition, er tüftelte gern. Ein Handwerker, ein Teamworker. Deshalb war er glücklich nach dem neunmonatigen Dreh zu Scorseses „Gangs of New York“, für ihn stimmte da alles, er nannte es die Erfüllung seines Lebens.

Die Stars verehrten ihn

Eine seiner stärksten Erinnerungen hat mit einem anderen Licht zu tun, mit dem brennenden Berlin in den Bombennächten von 1942. Hier kam er 1935 zur Welt, beide Eltern waren Schauspieler. Vielleicht fühlte er sich den Stars deshalb immer so nah, von Meryl Streep in „Grüße aus Hollywood“ über Paul Newman bis zu Leonardo DiCaprio. Ballhaus wuchs in der Provinz auf, im fränkischen Coburg, absolvierte eine Fotografenlehre, stand mit 18 am Set von Max Ophüls’ „Lola Montez“ – auch er ein Virtuose der Eleganz – arbeitete beim Südwestfunk und lernte Anfang der Siebziger Fassbinder kennen. 15 Filme haben sie gemeinsam gedreht, Fassbinders Kino ist ohne Ballhaus nicht denkbar, von „Whity“ bis „Lili Marleen“. Der Gentleman und der Rebell, sie passten nicht zusammen, verstanden sich doch, zerstritten sich schließlich – eine traurige Geschichte. John Sayles war dann der erste, der Ballhaus für einen US-Film anheuerte, es wurden über 30 Produktionen dort, von insgesamt 130.

„Das fliegende Auge“ hat Tom Tykwer sein Interview-Buch mit Ballhaus genannt. Ja, er konnte schweben und blieb doch geerdet. Ballhaus trug zeitlebens Hosenträger, sein Markenzeichen, er schwor auf die Familie als Bollwerk gegen falschen Glamour und Hybris. 48 Jahre war er mit seiner ersten Frau Helga verheiratet, bis zu ihrem Tod. Und fand noch eine späte neue Liebe, die Regisseurin Sherry Horman. Mir ihr drehte er 2011 zum letzten Mal, den Natascha-Kampusch-Film „3096 Tage“.

Michael Ballhaus litt am Grünen Star, er sah nicht mehr gut. Ein erblindender Seher. Seine Biografie „Bilder im Kopf“ beginnt so: „Dies sind die Erinnerungen eines Mannes, der mit seinen Augen gelebt und gearbeitet hat“. Nun sind diese Augen für immer geschlossen. In der Nacht zum Mittwoch ist Michael Ballhaus mit 81 Jahren gestorben, nach kurzer Krankheit, zuhause in Zehlendorf.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false