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Hannover, 1987: Werner Knopp hält im Plenarsaal eine Rede zum 40-jährigen Bestehen des Niedersächsischen Landtags.

© Wolfgang Weihs/dpa

Zum Tod von Werner Knopp: Preußen als Haltung

Er stand für Kontinuität in stürmischen Zeiten: Zum Tod von Werner Knopp, dem langjährigen Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Das Land Preußen ist durch ein Gesetz des Alliierten Kontrollrats 1947 aufgelöst worden, es verschwand von der europäischen Landkarte. Was blieb, abgesehen von seiner geistigen Hinterlassenschaft, waren in erster Linie die Kunst- und Kulturgüter, die in seinen Institutionen gesammelt wurden und nun mit einem Mal herrenlos waren. Es dauerte etliche Jahre, bis aus den im Westen Deutschlands, in der neugeschaffenen Bundesrepublik mehr oder minder zufällig verbliebenen Beständen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz geformt wurde.

1961 nahm die SPK ihre Arbeit in West-Berlin auf. 16 Jahre später, als Werner Knopp das Amt des Präsidenten antrat, war sie bereits schier unübersehbar, hatte die preußischen Schätze beträchtlich vermehrt und stellte sie in neuen Bauten für Museen und Bibliotheken der Öffentlichkeit zur Verfügung. In diesem Jahr 1977 wurde mit Knopp ein Mann an die Spitze berufen, der so ganz der Vorstellung der federführenden Bonner Ministerialbürokratie zu entsprechen schien, ein Jurist, dessen steile Karriere ihn bereits zum Rektor der Universität Münster und zum Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz hatte werden lassen, aus welchem Amt er dann nahtlos, wenngleich überraschend nach Berlin wechselte.

Aber der Ordinarius für Handelsrecht entpuppte sich als genau jener Bewahrer des preußischen Erbes, der dem einst von den Reformern um Wilhelm von Humboldt aufgerichteten Anspruch der preußischen Bildungseinrichtungen gerecht wurde. Behutsam steuert er den ursprünglich als reine Ländersache angelegten Großbetrieb in und durch die Gegenwart. Das war schwierig genug und bedurfte fortwährend des diplomatischen Geschicks, das dem 1931 in Braunschweig geborenen Knopp von Herkunft und früherer Tätigkeit mitgegeben war.

Knopp hat die Wiedervereinigung der Museen bravourös gemeistert

Aus der täglichen Herausforderung wurde eine exzeptionelle, als 1989 die Mauer fiel und just hier in Berlin das erste, schon wegweisende Exempel auf die so gewünschte wie gefürchtete Wiedervereinigung gegeben werden musste: die Zusammenführung der ehemals preußischen Institutionen, die in beiderlei Berlin zu Aushängeschildern ihrer jeweiligen politischen Verfasstheit aufpoliert worden waren. Werner Knopp hat die Wiedervereinigung von Museen, Bibliotheken und Archiven bravourös gemeistert; nicht er allein, natürlich nicht, aber doch ein undenkbarer Prozess ohne seine im Wortsinne feine Art.

Überhaupt möglich wurde die am Ende so mühelos scheinende Wiedervereinigung, weil der Stiftungsratsvorsitzende der SPK qua Amt, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, den entsprechenden Passus in den Einigungsvertrag eingefügt hatte. Aber ausgeführt haben sie dann Knopp und die Mitstreiter aus Ost und West. So wurde die SPK „vom vermeintlichen Fossil des Kalten Kriegs zum natürlichen ,Auffangbecken der ehemals preußischen Sammlungen“, wie Knopp ein Vierteljahrhundert später rückblickend schrieb. Er fügte einen ihm besonders wichtigen Satz an: „Schwierige und einschneidende Abwicklungsdebatten blieben uns erspart.“ Kontinuität ist überhaupt das Wort, in das sich Knopps Amtsführung verdichten ließe: Auch bei den Baumaßnahmen setzte Knopp auf Kontinuität und brachte den Stiftungsrat dazu, zugleich die Sanierung der Museumsinsel wie auch den Weiterbau des West-Berliner Kulturforums in der zuvor beschlossenen Form abzusegnen.

Obgleich als gebürtiger Braunschweiger blinder Preußenverehrung unverdächtig, hat sich Knopp gern zu einzelnen Aspekten der preußischen Geschichte zu Wort gemeldet. Man darf Werner Knopp als Traditionalisten im besten Sinne bezeichnen; jemanden, der die Tradition wertschätzt, weil er sie bis ins Einzelne kennt, um daraus Folgerungen für Gegenwart und Zukunft herzuleiten. Wolf Jobst Siedler hat ihn in einem Geburtstagsgruß im Tagesspiegel den „Repräsentanten einer Sache“ genannt, „die es eigentlich gar nicht mehr gibt: der bürgerlichen Kultur“.

Zum Neuerer konnte und wollte er nicht werden

Das hat ihn zum Bewahrer in stürmischer Zeit gemacht; zum Neuerer allerdings konnte und wollte er wohl nicht werden. An der Konstruktion der SPK, mit der er in den fast 21 Jahren seiner Amtsführung geräuschlos umzugehen wusste, hielt er fest, auch als sich die Chance ergab, mit dem Bund allein den Riesenbetrieb zu bewältigen, an dem die Bundesländer ohne eigenes (Finanz-)Risiko, aber mit vollem Mitspracherecht beteiligt blieben. Diese Unwucht, einmal festgeschrieben, konnten auch Knopps Nachfolger nicht beheben. Sie wollten es auch nicht. „Konsens als Lebensprinzip der Stiftung“, so hat Knopp sein eigenes Leitbild beschrieben, auch darin ganz von der bundesdeutschen Geschichte geprägt. Es ging von ihm auf seine Nachfolger über.

Als Werner Knopp 1998 aus dem Amt schied, gab es einen glanzvollen Festakt im Alten Museum. Ihm selbst war die Villa von der Heydt, deren allzu behördlichem Innenausbau er als seinem Amtssitz Geist einhauchte, der gemäßere Ort. Längst hatte das wiedervereinte Deutschland verstanden, sich der SPK als ihres kulturellen Aushängeschilds zu bedienen. Am vergangenen Freitag, wie am Montag bekannt wurde, ist Werner Knopp im Alter von 87 Jahren gestorben. Sein Nach-Nachfolger Hermann Parzinger nannte ihn einen „Mann, der wie geschaffen war für das Präsidentenamt“. Und ja, er hat es ausgefüllt.

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