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Zungenreden: Berlins Ultraschall-Festival feiert Dieter Schnebel

Zwei, wenn nicht drei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wer möchte das nicht gern! Das diesjährige Ultraschall-Eröffnungskonzert im Radialsystem bündelt exemplarisch, wofür dieses Festival steht:

Zwei, wenn nicht drei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wer möchte das nicht gern! Das diesjährige Ultraschall-Eröffnungskonzert im Radialsystem bündelt exemplarisch, wofür dieses Festival steht: Mit Dieter Schnebels „Glossolalie 61“ steht ein Schlüsselwerk der Nachkriegsavantgarde im Mittelpunkt, das dem streng konstruierenden Serialismus die nicht minder radikale Sicht auf das klingende Alltagschaos entgegensetzte. Zum 80. Geburtstag wird damit ein Komponist gefeiert, der John Cages Fluxus-Anregungen nicht nur kreativ aufnahm, sondern sie auch pädagogisch-experimentell vermittelte. Die Unterhaltsamkeit der Neuen Musik machte er darin sinnfällig. Zudem spricht die „Glossolalie“-Aufführung für das Ultraschall-Anliegen, der guten, nicht der um jeden Preis neuen Musik zur Wahrnehmungstradition zu verhelfen.

Die „Maulwerker“ machen auch die 1961 auskomponierte Fassung des Werkes, das sonst mit Improvisationsvorgaben arbeitet, faszinierend lebendig. Mit Sprache beginnt das „Zungenreden“, Ausführungen über Musik, die sich zum Klang verwirren. Alltagslaute erregen Heiterkeit und fügen sich doch zum subtilen Konstrukt. Da wird geröchelt, gepfiffen und geschrien. Die Sänger stürzen zum Flügel und erkunden seine Resonanz. Vorher lässt Pianistin Ariane Jeßulat einen Stapel blinkender Löffel und Gabeln auf die Saiten fallen. Das Schlagzeug ist neben herkömmlichen Gongs und Trommeln mit Flaschen und Töpfen bestückt. Und verlässt man das Radialsystem, werden die letzten Worte des Stückes sofort wahr: Ist die „Glossolalie“ hier zu Ende? Oder erst jetzt? Oder gar nicht – wenn Schnee unter den Füßen knirscht und Autos im Takt vorüberrauschen.

Mit Paul-Heinz Dittrich wird Schnebel ein weiterer Jubilar gegenüberstehen, welcher der DDR-Musik mutige avantgardistische Impulse gab. Die Wiederaufführung eines Meisterwerks besorgt das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin mit Mathias Spahlingers „akt eine treppe herabsteigend“. An den Wochenenden beleuchtet das Deutsche Symphonie-Orchester die englische Musikszene, etwa mit Werken der Klangmagier Jonathan Harvey und George Benjamin. Ansonsten bietet Ultraschall eine große Vielfalt an Musiktheater spanischer Provenienz, das in Innen- und Schattenwelten der Vergangenheit, der menschlichen Seele, aber auch des Berliner Untergrunds führen wird. Isabel Herzfeld

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