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Kultur: ZURÜCK - FOLKLORE

Formiert sind die achtzig Musiker und Musikerinnen in ihren hochgeschlossenen Gewändern wie ein westliches Symphonieorchester.Aber mit seinen Arrangement und dem traditionellen, jedoch teilweise schon westlich adaptierten Instrumentarium ermöglicht das "Chinesische Nationalorchester" aus Peking in der Philharmonie eine ganz eigenartige Musikerfahrung.

Formiert sind die achtzig Musiker und Musikerinnen in ihren hochgeschlossenen Gewändern wie ein westliches Symphonieorchester.Aber mit seinen Arrangement und dem traditionellen, jedoch teilweise schon westlich adaptierten Instrumentarium ermöglicht das "Chinesische Nationalorchester" aus Peking in der Philharmonie eine ganz eigenartige Musikerfahrung.Wir können etwa eine Mendelssohn-Bearbeitung so hören, wie Chinesen möglicherweise Mendelssohn hören, entdecken aber auch, daß Chinesen ihre Musik anscheinend gerne so hören, wie Puccini sie hörte.In der überbordenden Virtuosität und der knallig ausgespielten Sentimentalität hat diese symphonisch veredelte Folklore schon etwas Mitreißendes: mit all den tollkühnen Überdrehungen des Tempos, der grellen Farbigkeit und den grotesken Nachahmungen von Naturlauten und menschlicher Stimme.Da vergißt man gerne, daß es sich doch eigentlich um eine staatlich gelenkte Massenunterhaltungskultur handelt.Mit den stramm exekutierten Nationalhymnen zu Beginn des Abends vor dem hochrangig besetztem Sponsoren- und Diplomatenparkett manifestierte sich dieses einzige Deutschlandkonzert des Chinesischen Nationalorchesters jedoch zugleich als politischer Akt.Und so war es auch geradezu erschreckend, wie besinnungs- und gedankenlos die Zuschauer in der teuer ausverkauften Philharmonie zum Schluß des Konzertes beim Marsch des alten 48er-Generals Radetzky mitklatschte - als folgerichtige Zugabe einer Dramaturgie, die unter dem Namen "Peking Happiness" in ihr programmatisch strahlendes Finale hineingerauscht war.

MARTIN WILKENING

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