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Kultur: Zurück: Im Auto sitzen

Werther? Aber hallo!

Werther? Aber hallo! Den kennt man. Und weil man ihn kennt, taugt er nur noch zum Zitat - romantische Sehnsucht hin oder her. Der Goethische "Werther", diese Liebesleiden-Geburt des jungen Frankfurters - im Hinterkopf haben wir ihn schon: Unbedingte Liebe, das Zittern der Welt, Selbstmordfantasien. Die Gegenwart aber prägen eher postindustrielle als pantheistische Naturerfahrungen. Oder: Kino, Drogen, Pop. Spielerische Gegenwart allenthalben. Also gib mir beides. Absolutes Gefühl und ewiges Spiel. Vor diesem Hintergrund mag Tim Staffel seinen "Werther in New York" auf die Rechnertastatur geschossen haben. Ein schneller Text. Ein Roadmovie. Eine Gangsta- und Lovestory. Ein Vexierspiel multipler Persönlichkeiten auf Autositzen ohne Auto. Irgendwo. "Alles Film". Sagt einer. Also rein in die Bank und Wumme raus. Mit von der Partie: Werther und Lotte. Als Garanten für das große Gefühl. Staffels Text ist eine reizvolle Oberfläche. Er pointiert virulente Bilder der Pop-Urbanität. Das Kölner Trash Theater zeigt sie im Theater am Halleschen Ufer (nochmals: heute um 20 Uhr). Doch Regisseur André Turnheim will eher Kunst als pulpige Fiction. Das verraten die Anleihen bei Oper, Video und artifiziellem Schauspielergestus. Nicht dass das keine brauchbaren Theatermittel wären. Auf die Mischung kommt es an. Und die ist hier vor allem anstrengend. Schade, denn die Aufführung berührt - wenn sie die Figuren zueinander finden lässt. Oder wenn sie schweigen: schöne Stills. Doch ein wirklicher Sog entsteht nicht. Staffels Emotionsschocker wirkt hier gekünstelt. Zu sehr im Kopf geboren.

Alexander Haas

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