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Kultur: ZURÜCK - LESUNG

Was ist ein Adreßbuch? Ein meist chaotisches Sammelsurium aus Namen und Nummern.

Was ist ein Adreßbuch? Ein meist chaotisches Sammelsurium aus Namen und Nummern.Wenn aber David Wagner, Rainer Merkel und Jörg Paulus in Britta Gansebohms literarischem Salon (nächster Salon: 18.12., 20 Uhr 30, mit Martina Wimmer) die Namen ihrer Telefonverzeichnisse Revue passieren lassen, ist mehr zu erwarten als nur Zahlenlyrik.Die drei Berliner Jung-Autoren montieren im Podewil bei Keksen, Kerzenlicht und Cabernet ihre Texte zu einer literarischen Collage.Das Adreßbuch wird dabei zum journal intime: jede Nummer eine eigene, persönliche Geschichte.So entspinnt sich ein Geflecht verhuschter Begegnungen und Erinnerungen: an die Jugendfreundin mit der Biene-Maja-Unterwäsche, zweisame Expeditionen in die Mangrovensümpfe des Wannsees oder die "tiefe Traurigkeit einsamer Akademikerhaushalte".Rainer Merkel wandelt auf seinen Spaziergängen in den Ziffernlandschaften seiner Notizbücher zu bisweilen surrealen biographischen Erinnerungsorten.Er gerät in die Rosenmontagsfeier einer Kreissparkasse, und die Gründung einer Künstlergruppe auf Hiddensee erschöpft sich im Spieleabend mit abschließendem Nummernaustausch.Jörg Paulus erweist sich dagegen als Freund skurriler Anekdoten.Er plaudert amüsant über seine Begegnungen mit gescheiterten Kartäuserbrüdern und träumerischen Kursbuchfetischisten.David Wagner träumt lieber selber, als philosophierender Reisender gerne im Flugzeug.Im telepoetischen Höhenflug möchte er Engel anrufen, saugt durch die "gelöcherte Fleischwolfmuschel" des Hörers Telefonsehnsucht und schreibt sich schließlich unsanft auf den Boden zurück, indem er daran erinnert, woran alle Teleprosa letztendlich hängt: an einem glasfasernen Faden.

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